Hydrographisch-chemische Zustandseinschätzung der Ostsee 2023
Die Arbeit beschreibt die hydrographisch-hydrochemischen Bedingungen in der westlichen und zentralen Ostsee im Jahr 2023. Basierend auf den meteorologischen Verhältnissen werden die horizontalen und vertikalen Verteilungsmuster von Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoff/ Schwefelwasserstoff und Nährstoffen mit saisonaler Auflösung dargestellt.
Der Winter 2022/2023 belegt mit einer Kältesumme von 30,8 Kd, gemessen in Warnemünde, den 15. Platz der wärmsten Winter der Datenreihe seit dem Jahr 1948. Die Wärmesumme des Sommers 2023 ist mit 288,7 Kd nur knapp über dem Vorjahr (281,4 Kd), jedoch deutlich über dem Mittelwert von 163,0 Kd.
Die seit 2017 andauernde Serie von Jahren mit nur schwachen Einstromereignissen wurde im Jahr 2023 endlich unterbrochen. Im Dezember ereignete sich um die Weihnachtsfesttage herum ein Salzwassereinstrom, der nach Mohrholz (2018) als „Major Baltic Inflow“ (MBI) mittlerer Intensität klassifiziert werden konnte und etwa 1,7 Gt salzreiches Wasser (>15 g kg-1) in das Tiefenwasser des Arkona Beckens transportierte.
Durch die fortschreitende Akkumulierung von Schwefelwasserstoff im Tiefenwasser der Gotlandsee setzte sich die Intensivierung des Sauerstoffmangels und seiner Begleiterscheinungen in 2023 grundsätzlich fort. Das erhöhte Sauerstoffdefizit wurde wahrscheinlich durch die anhaltende Eutrophierung und die produzierten und anschließend remineralisierten großen Mengen an Biomasse verursacht. An der Station Gotlandtief nahm die der Schwefelwasserstoff äquivalenten Sauerstoffkonzentration seit 2019 auf ‑317 µmol l-1 und am Fårötief auf -171 µmol l-1 Sauerstoff im Jahr 2023 in den entsprechenden Tiefenwasser Referenztiefen ab.
Das zum Teil kühle und stürmische Wetter im Sommer verhinderte weitgehend einen starken saisonalen Sauerstoffmangel im Bodenwasser der flachen Bereiche der Ostsee. Darüber hinaus strömte kaltes Wasser eines kleineren barotropen Einstroms aus dem Dezember 2022 erst in die Arkonasee und dann überfloss und mischte sich der Wasserkörper im März in das bereits sauerstoffangereicherte warme Wasser in der zentralen Bornholmsee mit einer resultierenden Sauerstoffkonzentration von 145-255 µmol l-1. Ein einzelnes Wasserpaket mit diesem warmen sauerstoffangereicherten Wasser von immerhin noch 30 µmol l-1 Sauerstoff erreichte die südliche Gotlandsee und strömte den Talweg weiter abwärts bis auf etwa 120 m Tiefe.
Die Winter Nitratkonzentrationen im Oberflächenwasser von nun etwa 2.7 µmol l-1 auf den Stationen Gotlandtief und Bornholmtief lagen wieder unter dem Vorjahreswert. Die Frühjahrsblüte 2023 endete am Bornholmtief etwa Ende März und an der Station Gotlandtief Ende April. Eine deutlich erkennbare Erhöhung der Nitratkonzentration erfolgte dann am Bornholmtief nicht vor Mitte November und am Gotlandtief erst Ende November. Zu der Zeit hatte die Abkühlung des Oberflächenwassers etwa 10 °C am Bornholmtief und 12 °C am Gotlandtief erreicht, was die windgetriebene Durchmischung bei herbstlichem Wetter und damit den Nachschub der Nährstoffe aus tieferem Wasser ermöglichte. Die räumliche Verteilung des Verhältnisses von gelöstem anorganischem Stickstoff zu Phosphat war ähnlich wie im Vorjahr und zeigte wieder einmal die deutliche Beschränkung der Nitratverfügbarkeit für die Frühjahrsblüte und die deutliche Begünstigung der Cyanobakterien gegenüber Primärproduzenten, die auf Nitrat angewiesen sind. Schon stark im Tiefenwasser angereichtes Phosphat am Gotlandtief wies eine erneute Erhöhung der Konzentration auf 6.2 µmol l-1 in der Referenztiefe auf, sowie auf 4.3 µmol l-1 am Karlsötief auf. Demgegenüber wurde an den Stationen Fårötief und Landsorttief etwa die gleichen Jahresmittelwerte von 4.7 µmol l-1 und 4.1 µmol l-1 Phosphat, wie im Vorjahr gemessen. Die Nitratkonzentration lag im Tiefenwasser der Gotlandsee weitgehend unter der Nachweisgrenze, was an den vorherrschend euxinischen (sulfidischen) Bedingungen lag, die eine Remineralisierung von organischem Material bis zum Nitrat verhindern, stattdessen wurde Ammonium gebildet. Vergleichbar mit dem Phosphat, wurde eine fortgesetzte Akkumulation von Ammonium im Tiefenwasser der Gotlandsee beobachtet. Eine besonders hohe Anreicherung von 35.4 µmol l-1 Ammonium wurde im Gotlandtief, von immerhin 16.9 µmol l-1 im Fårötief und von 12.8 µmol l-1 am Landsorttief gemessen. Das Karlsötief wies eine ähnliche Konzentration wie im Vorjahr von 15.9 µmol l-1 Ammonium auf.
Im Gegensatz zu Phosphat, könnte die winterliche Nitratkonzentration im Oberflächenwasser die Zielkonzentration von HELCOM immer mal wieder erreichen, aber eine permanente Unterschreitung der Grenze erscheint in nächste Zukunft unwahrscheinlich. Dabei muss berücksichtigt werden, dass das Tiefenwasser der zentralen Ostseebecken gegenwärtig aufgrund der euxinischen (sulfidischen) Bedingungen eine starke Nitratsenke darstellt, so dass ein Teil der gemessenen Nitratabnahme nicht nur auf Eintragsreduktionen zurückgeführt werden kann. Wieweit die Transporte von akkumuliertem Ammonium nun aus dem Tiefenwasser zunehmen, bleibt unklar. Für Phosphat wird das unterschreiten der angestrebten Grenzwerte voraussichtlich noch mehre Dekaden dauern.
Oberflächenseewasserproben wurden in Untersuchungsgebieten von der Kieler Bucht bis zur Gotlandsee mittels Transektbeprobung während der Expedition EMB311 genommen. Diese wurden auf die chlorierten Kohlenwasserstoffe Dichlordiphenyltrichlorethan (o,p‘-DDT, p,p‘-DDT) und die Metabolite p,p‘-DDE und p,p‘-DDD, polychlorierte Biphenyle (PCBICES), Hexachlorbenzol (HCB), Heptachlor (HEP) und den Metaboliten Heptachlorepoxid (HEPEP) sowie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (U.S. EPA PAH) untersucht. Darüber hinaus wurden im Untersuchungsgebiet Oberflächenseewasserproben mittels Glaskugelschöpfer genommen und auf die α, ß und γ Isomere des Hexachlorcyclohexans (∑HCH) untersucht.
Die ermittelten Konzentrationen für DDT und Metabolite (ΣDDTsum) lagen im Bereich von 2,53 pg l‑1 bis 13,08 pg l-1, wobei die höchste Konzentration für die Pommersche Bucht gefunden wurde. Niedrigere Konzentrationen von p,p‘-DDT gegenüber dem langlebigen Abbauprodukt p,p‘-DDE deuten auf keine aktuellen Einträge von DDT hin.
Die Konzentrationen von PCBICES und HCB lagen zwischen 1,73 pg l-1 und 8,52 pg l-1 ΣPCBSUM sowie zwischen 4.30 pg l-1 und 11.13 pg l-1 HCBSUM. Die höchste Konzentration von ΣPCBSUM wurde für die Mecklenburger Bucht (8,52 pg l-1) verzeichnet, wohingegen die höchsten HCB-Konzentrationen im südlichen Teil der östlichen Gotlandsee (11,13 pg l-1) nachgewiesen wurden. HEPEP wurde in der gelösten Phase der Oberflächenseewasserproben im Bereich von 0,16 pg l-1 bis 1,05 pg l-1 detektiert. In 2023 konnte im Untersuchungsgebiet Mecklenburger Bucht auch HEP in der gelösten Phase mit 0,09 pg l-1 nachgewiesen werden.
Die Belastung des Oberflächenwassers mit PAH lag im Bereich von 1293 pg l-1 bis 5150 pg l-1 ΣPAHsum mit der höchsten Konzentration in der Pommerschen Bucht. Die meisten der in 2023 ermittelten Konzentrationen für ΣPAHsum lagen unter dem 25. Perzentil der im Untersuchungszeitraum (2003 - 2023) ermittelten Daten.
Die ermittelten Konzentrationen für ∑HCH lagen im Bereich von 108 pg l-1 in der Kieler Bucht (N3) bis 161 pg l-1 in der Arkonasee (K7) mit ß-HCH als dem vorherrschenden Isomer. Die Langzeitanalyse der HCH-Isomere an der Station K4 (Arkonasee) mit Daten zurückliegend bis zum Jahr 1975 zeigt anhaltend abnehmende Konzentrationen im Oberflächenwasser und deutet auf keine aktuellen HCH-Einträge.
Die Bewertung der ermittelten Daten erfolgte auf Grundlage der Umweltqualitätsnormen (UQN) der Wasserrahmenrichtlinie. Alle für HEP und HEPEP ermittelten Konzentrationen überschreiten die Jahresdurchschnitts-UQN von 0.01 pg l-1. Für die Mecklenburger und Pommersche Bucht lagen die ermittelten Konzentrationen für die hochmolekularen PAH BBF, BGHIP und ICDP über der Jahresdurchschnitts-UQN von 0.00017 pg l-1.
Vollständiger Bericht in:
Meereswiss. Ber. 128 (2024)
Michael Naumann, Ulf Gräwe, Volker Mohrholz, Joachim Kuss, Marion Kanwischer, Helena Osterholz, Susanne Feistel, Ines Hand, Joanna J. Waniek
Hydrographic-hydrochemical assessment of the Baltic Sea 2023
Jährliche Hydrographisch-chemische Zustandseinschätzungen
2010 - 2019
2000 - 2009
1990 - 1999
1980 - 1989
1969 - 1979