

Hydrographisch-chemische Zustandseinschätzung der Ostsee 2022
Die Arbeit beschreibt die hydrographisch-hydrochemischen Bedingungen in der westlichen und zentralen Ostsee im Jahr 2022. Basierend auf den meteorologischen Verhältnissen werden die horizontalen und vertikalen Verteilungsmuster von Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoff, Schwefelwasserstoff und Nährstoffen mit saisonaler Auflösung dargestellt.
Der Winter 2021/2022 belegt mit einer Kältesumme von 15,9 Kd in Warnemünde den sechsten Platz der wärmsten Winter der Datenreihe seit dem Jahr 1948. Die Wärmesumme des Sommers 2022 ist mit 281,4 Kd nur knapp unter dem Vorjahr (284,7 Kd), jedoch deutlich über dem Mittelwert von 161,4 Kd. Im gesamten Jahresverlauf 2022 blieben intensive Einstromereignisse erneut aus. Zwei kleinere Ereignisse mit Gesamtvolumina von 140 km3 und 158 km3 sorgten für die Belüftung des Tiefenwassers im Gebiet des Arkona Beckens. Im Dezember sorgten zusätzlich drei aufeinanderfolgende kleine Einschübe für ein Einstromvolumen von etwa 141 km3 mit einem Salzimport von 1,15 Gt.
Der insgesamt abnehmende Trend von Sauerstoff, also tatsächlich die Zunahme von Schwefelwasserstoff, im Tiefenwasser der tiefen Ostseebecken ging im Jahr 2022 grundsätzlich weiter. Seit einiger Zeit wird immer deutlicher, dass auch flache Bereiche der Ostsee immer öfter von saisonalem Sauerstoffmangel betroffen sind. Der Abbau der großen Mengen an organischem Material, die aufgrund der anhaltenden Eutrophierung produziert werden, verbraucht im beträchtlichen Umfang Sauerstoff, was sich besonders im Bereich des Meeresbodens auswirkt. Zwar hatte sich im Februar 2022 im westlichen und zentralen Arkonabecken sauerstoffreiches Bodenwasser mit einer Konzentration von 310-335 µmol l-1 Sauerstoff gebildet, das aber letztendlich nur in einigen Bereichen eine vorübergehende Verbesserung brachte. Es passierte das Bornholmsgatt und mischte sich dann in das Bornholmbecken Tiefenwasser ein. Über das Frühjahr und den Sommer wurde es mit 130-270 µmol l‑1 Sauerstoff weiter ostwärts bis in die südliche Gotlandsee transportiert, wo es in einer Tiefe von etwa 100 m noch eine Konzentration von bis zu etwa 45 µmol l-1 Sauerstoff aufwies.
Die ausgewählten Stationen westlich der Darsser Schwelle (Fehmarn Belt, Lübecker und Mecklenburger Bucht) wiesen im Februar 2022 relativ hohe winterliche Nitratkonzentrationen im Oberflächenwasser im Vergleich zu den letzten Jahren auf, was eventuell einen Einfluss von Nordseewasser anzeigte. Dagegen waren die Stationen in der zentralen Ostsee eher durch niedrigere Nitratkonzentrationen im Februar gekennzeichnet, was eventuell auf dem zunehmenden Sauerstoffmangel und verstärktem Nitratabbau im Tiefenwasserkörper beruhte. Die relativ niedrigen Werte von 3,4 µmol l-1 Nitrat im Oberflächenwasser der Station Gotlandtief und 2,9 µmol l-1 am Bornholmtief im Winter verursachten eine frühe Aufzehrung von Nitrat, bereits bei noch niedrigen Temperaturen. Dies ermöglichte wahrscheinlich, dass Phosphat über das Sommerhalbjahr 2022 praktisch permanent vorhanden war. Nur Anfang August lag die Konzentration im Gotlandtief unter der Nachweisgrenze. Die Jahresmittelwerte der Phosphatkonzentration im Tiefenwasser des Bornholmbeckens spiegelten eine beträchtliche Variabilität seit 2018 auf hohem Niveau von 4,2 ± 0,9 µmol l-1 in der Referenztiefe wider. Wogegen die Phosphatkonzentrationen im Landsorttief und dem Karlsötief mit 3,7 ±0,4 µmol l-1 und 3,8 ±0,3 µmol l-1 Phosphat in den entsprechenden Referenztiefen stabiler waren. Das Gotlandtief zeigte die deutlichste Akkumulation von Phosphat, bis auf 6,1 µmol l-1, und von Ammonium, sogar bis auf 27,9 µmol l-1 in 2022. Wobei im Fårötief die Phosphat- und Ammoniumkonzentration auf 4,7 µmol l-1 bzw. 15,9 µmol l-1 n der Referenztiefe anstieg, und nur im Jahr 2020 durch etwas niedrigere Jahresmittelwerte unterbrochen wurde. Im Bornholmtief bewegte sich die Ammoniumkonzentration bei hoher interannueller Variabilität auf niedrigerem Niveau von 2,2 ±1,4 µmol l-1.
POC und PON Konzentrationen waren im Jahr 2022 im Oberflächenwasser hauptsächlich in den Monaten März, Juli, und teilweise im Mai aufgrund von Primärproduktion während der Frühjahrs- und Sommerblüten erhöht. Oberflächen- und Tiefenwasser POC, PON, sowie C/N Verhältnis unterschieden sich nicht signifikant vom Langzeitmittel.
In diesem Bericht sind die während des Ostsee-Umweltmonitorings im Februar 2022 ermittelten Oberflächenwasserkonzentrationen für chlorierte Kohlenwasserstoffe (CHC) und Oberflächensedimentgehalte für CHC, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH, U.S. EPA PAH) sowie für Organozinnsubstanzen (OT) zusammengefasst. Die Bestimmung der PAH in den Seewasserproben war aus technischen Gründen nicht möglich. Erstmals erfolgte die Bestimmung des Pestizids Heptachlor und des Metaboliten Heptachlorepoxid (HEPEP) in den Seewasserproben.
In den Oberflächenwasserproben wurden für DDT und Metabolite (ΣDDTsum) Konzentrationen von 2,7 pg l-1 - 9,1 pg l-1 ermittelt; die höchste Konzentration von 9,1 pg l-1 für den Bereich Pommersche Bucht. Die Konzentrationen des langlebigen Abbauproduktes p,p‘-DDE waren höher im Vergleich zu p,p‘-DDT, was darauf deutet, dass aktuell keine wesentlichen neuen DDT-Einträge erfolgten. Für PCBICES und HCB wurden Konzentrationen von 1,6 pg l-1 – 13,1 pg l-1 für ΣPCBICES,SUM bzw. 4,8 pg l‑1 - 9,9 pg l-1 für HCBSUM ermittelt. Die höchsten PCB-Konzentrationen wurden im Bereich Kieler Bucht/Fehmarn Belt und für HCB in der Pommersche Bucht ermittelt, d.h. 13,1 pg l-1 ΣPCBICES,SUM und 9,9 pg l-1 HCBSUM. HEPEP wurde in allen Oberflächenwasserproben mit Konzentrationen von 0,28 pg l-1 -0,83 pg l-1 HEPEPSUM nachgewiesen. Heptachlor wurde dagegen in keiner der Transektproben gefunden.
In den Oberflächensedimentproben wurden für DDT und Metabolite (ΣDDT) Gehalte von 29,3 ng g-1 - 168,7 ng g-1 TOC ermittelt; der höchste Gehalt von 168,7 ng g-1 TOC für die Pommersche Bucht. Für PCBICES und HCB wurden Konzentrationen von 63,7 ng g-1 –166,0 ng g-1 TOC für ΣPCBICES bzw. 0,34 ng g-1 - 44,0 ng g-1 TOC für HCB ermittelt. Die jeweils höchsten Gehalte wurden für die Station in der Pommerschen Bucht ermittelt, d.h. 166,0 ng g-1 TOC ΣPCBICES und 44,0 ng g-1 TOC HCB. Für PAH wurden Gehalte von 16951,8 ng g-1 - 40000,0 ng g-1 TOC ΣPAH ermittelt; der höchste Gehalt von 40000,0 ng g-1 TOC an der Station in der Pommerschen Bucht. Es wurden Organozinngehalte von bis zu 278,7 ng g-1 TOC ΣOT (MBT, DBT, TBT, TPhT) detektiert. Dabei wurde an keiner der untersuchten Stationen TPhT nachgewiesen. An der Station in der Pommerschen Bucht wurde keine der Organozinnverbindungen detektiert.
Die Bewertung der ermittelten Daten erfolgte auf Grundlage der Umweltqualitätsnormen (UQN) der Wasserrahmenrichtlinie und HELCOM-Indikatoren. Alle in den Oberflächenwasserproben ermittelten Konzentrationen für HEPEP überschreiten die Jahresdurchschnitts-UQN von 0,01 pg l‑1. Die nachgewiesenen Gehalte für TBT in den Oberflächensedimentproben überschreiten den threshold value des HELCOM Indikators TBT and imposex von 1,6 µg kg-1 TS, 5 % TOC. Der für die Pommersche Bucht ermittelte Anthracen-Gehalt (0,3 ng g-1 TS ≙ 50 µg kg-1, 5 %TOC) überschreitet den threshold value des HELCOM Indikators Polycyclic aromatic Hydrocarbons and their Metabolites von 24 µg kg-1 TS, 5 %TOC.
Vollständiger Bericht in:
Meereswiss. Ber. 127 (2024)
Michael Naumann, Ulf Gräwe, Lars Umlauf, Hans Burchard, Volker Mohrholz, Joachim Kuss, Marion Kanwischer, Helena Osterholz, Susanne Feistel, Ines Hand, Joanna J. Waniek, Detlef E. Bull
Hydrographic-hydrochemical assessment of the Baltic Sea 2022
Jährliche Hydrographisch-chemische Zustandseinschätzungen
2010 - 2019
2000 - 2009
1990 - 1999
1980 - 1989
1969 - 1979