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Hydrographisch-chemische Zustandseinschätzung der Ostsee 2004

Der Winter 2003/04 war ein mittelkalter Winter, milder als 1995/96 und 2002/03, vergleichbar mit 1999/2000, und kälter als die restlichen Winter der vergangenen Dekade. Die Kältesumme des Winters für Warnemünde wurde mit 49,5 ermittelt und lag damit deutlich unter dem langjährigen Mittel von 113. Die maximale Eisbedeckung wurde Mitte März mit 152 000 km2 erreicht, was etwa 2/3 des langjährigen Mittelwerts von 215 000 km2 entspricht. Auch an der deutschen Ostseeküste wurde nur ein schwacher Eiswinter registriert. Während das Jahr 2004 global das viertwärmste seit Beginn der Aufzeichnungen 1861 war, kann der Sommer im Bereich der Ostsee als durchschnittlich bezeichnet werden. So lag die Wärmesumme des Sommers für Warnemünde bei 143 (Mittel 142). Allerdings waren die Monate Juni und Juli deutlich zu kalt, was jedoch durch einen sehr warmen August kompensiert wurde.

Die meteorologischen Bedingungen spiegeln sich auch in der Wasseroberflächentemperatur wider. Die Wintertemperaturen entsprechen in der eigentlichen Ostsee den langjährigen Mittelwerten. Im Sommer, speziell im Juli, lagen die Temperaturen in der zentralen Ostsee mit Anomalien bis -1,5 K weit unter dem Mittelwert. Die Bottensee war dagegen mit bis zu +1.5 K sehr warm. Im August erreicht dann die gesamte Ostsee die positiven Anomalien.

Das gesamte Jahr 2004 war durch nur geringe Einstromaktivitäten gekennzeichnet. Lediglich Anfang Februar, im Mai und Ende September kam es zu relativ schwachen Einströmen salzreichen Wassers in die Ostsee. So lag das Hauptaugenmerk darauf, die weiteren Auswirkungen des Salzwassereinbruchs vom Januar 2003 im Tiefenwasser der verschiedenen Becken zu verfolgen. Mit diesem Einstrom wurden ca. 200 km3 salz- und sauerstoffreichen Wassers in die Ostsee transportiert. Dies führte zu einer nachhaltigen Verbesserung der Sauerstoffsituation. Im Jahresverlauf 2004 nahmen die Sauerstoffkonzentrationen jedoch sowohl im Bornholmbecken als auch im östlichen Gotlandbecken durch Zehrungsprozesse kontinuierlich ab. Sie lagen im Dezember in den Vergleichshorizonten des Bornholmtiefs, des Gotlandtiefs und des Farötiefs nur noch bei 0,25 ml/l. Unterhalb von 200 m Wassertiefe haben sich im Bereich des Gotlandtiefs bereits wieder anoxische Verhältnisse eingestellt. Damit wird der Beginn einer neuen Stagnationsperiode angezeigt. Bemerkenswert ist jedoch die kontinuierliche Zunahme des Salzgehaltes im 200 m - Horizont, so dass im Jahresmittel 12,7 psu erreicht wurden. Gleichzeitig nahm die Temperatur wieder zu. Die Ursache ist im baroklinen warmen Sommereinstrom 2003 zu sehen. Solch hohe Salzgehalte wurden letztmals von April bis August 1977 im Ergebnis des großen Salzwassereinbruchs 1976/77 gemessen. Im Gegensatz zu diesem Ereignis waren die im Sommer 2003 mitgeführten Sauerstoffmengen jedoch sehr gering, so dass deutliche Auswirkungen auf den Sauerstoffhaushalt ausblieben. Die baroklinen Warmwassereinströme und ihre Auswirkungen in den zentralen Becken der Ostsee, die 2002 und 2003 erstmals in dieser Form beobachtet wurden scheinen zu einer neuen Qualität im Langzeitverhalten der Ostsee zu führen. Im westlichen Gotlandbecken machen sich Salzwassereinströme noch deutlich verzögerter und mit geringerer Wirkung bemerkbar. So wurden im Landsorttief nur kurzzeitig Spuren von Sauerstoff gemessen, das Karlsötief blieb ganzjährig anoxisch.

Durch die Wassererneuerung wurde das ehemals bodennahe sauerstoffarme bzw. sogar sauerstofffreie Wasser mit hohen Phosphat-, jedoch niedrigen Nitratkonzentrationen bis in den Tiefenbereich unterhalb der Halokline angehoben, wo eine Erosion durch Vertikalkonvektion im Winter möglich wird, was sich direkt auf die Nährstoffkonzentrationen im Oberflächenwasser auswirkt. So wurden für Nitrat in den der Arkonasee, der Bornholmsee sowie im östlichen und westlichen Gotlandbecken die niedrigsten Winterwerte der letzten 15 Jahre gemessen. Für Phosphat wurden dagegen im östlichen, besonders aber im westlichen Gotlandbecken, erneut vergleichsweise hohe Winterkonzentrationen ermittelt. Die internen Prozesse dominieren auf kürzeren Zeitskalen gegenüber allochthonen Einträgen. Die gemessenen Winterkonzentrationen wirken sich auch auf die molaren N/P - Verhältnisse aus. Diese liegen im Winter 2004 im westlichen Gotlandbecken um 3,5, im östlichen Gotlandbecken um 4,3 und auch im Oberflächenwasser des Bornholmbeckens nur bei 4,9 und damit deutlich unter den langjährigen Mittelwerten. Somit wären ideale Bedingungen für eine massive Entwicklung von Blaualgen im Sommer gegeben. Diese blieben aber im Jahr 2004 aus. Die Ursachen sind noch zu klären.

Dr. Günther Nausch

Vollständiger Bericht in:
Meereswiss. Ber. 62 (2005)
Nausch, Günther; Feistel, Rainer; Lass, Hans UIrich; Nagel, Klaus; Siegel, Herbert:
Hydrographisch-chemische Zustandseinschätzung der Ostsee 2004
Pohl, Christa; Hennings, Ursula; Leipe, Thomas:
Die Schwermetallsituation in der Ostsee im Jahr 2004

Jährliche Hydrographisch-chemische Zustandseinschätzungen

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