Dr. Hagen Radtke - Forschungsinteressen
Dekadische Variabilität und Langzeittrends im Salzgehalt der Ostsee
Klimaprojektionen sagen einen Rückgang des Salzgehaltes der Ostsee in zukünftigem Klima voraus. Aber inwieweit sind die Einflussfaktoren, die den Salzgehalt der Ostsee bestimmen, in Modellen überhaupt korrekt repräsentiert? Um diese Frage zu beantworten führen wir mit unseren hydrodynamischen Modellen historische Rekonstruktionen (1850-heute) durch, um die Frage zu untersuchen, wieviel der beobachteten dekadischen Variabilität im Salzgehalt von den Modellen reproduziert wird. In den Modellen kann dann die Ursache dieser längerfristigen Schwankungen untersucht werden.
Mechanistische Modellierung von Sedimentprozessen im Küstenökosystem
Speziell in flachen Meeresgebieten spielen biogeochemische Stoffumsätze in den Sedimenten eine große Rolle für das Ökosystem und speziell seine Nährstoffbilanz. In heute verwendeten Ökosystemmodellen sind diese Prozesse aber hochgradig parametrisiert, d.h. wichtige Kenngrößen wie das Verhältnis zwischen Remineralisierung und Vergrabung eingetragenen organischen Materials werden auf Basis heutiger Messungen vorgeschrieben, was für Zukunftsprojektionen des Ökosystems ein Problem darstellt. Daher ergänzen wir unser Ökosystemmodell ERGOM um eine mechanistische Sedimentkomponente (Frühdiagenesemodellierung).
Element-Tagging als Diagnosemethode in Ökosystemmodellen
In der Natur können Atome eines Elements meist nicht unterschieden werden. Eine Ausnahme bilden Isotopenuntersuchungen, die für die empirische Erforschung von Prozessen daher eine herausragende Bedeutung haben. In der Welt der Ökosystemmodelle kann eine solche Unterscheidbarkeit jedoch künstlich herbeigeführt werden, so dass man z.B. Phosphor nach Eintragsquelle markieren "taggen" kann. Aber auch Elemente, die z.B. bestimmte biogeochemische Prozesse durchlaufen können markiert und in Raum und Nahrungsnetz verfolgt werden, was einen erhöhten Erkenntnisgewinn aus dem Ökosystemmodell erlaubt. Anwendungen dieser Methode umfassen die Untersuchung der Ausbreitungswege von Nährstoffen aus verschiedenen Flüssen, die Quantifizierung der effektiven Stickstoffaustauschs zwischen Nord- und Ostsee und die Untersuchung der Frage, wie wichtig das Entrainment von Sauerstoff in einströmendes Tiefenwasser für die Belüftung der Tiefenbecken der Ostsee ist.
Numerik der Differentialgleichungen in Ökosystemmodellen
Die biogeochemischen Prozesse in einem Ökosystemmodell werden in Modellen durch ein System gewöhnlicher Differentialgleichungen beschrieben. An dessen numerische Lösungsverfahren kann man einige Ansprüche stellen. Wir haben das erste numerische Schema entwickelt, das folgende Anforderungen gleichzeitig erfüllt:
- Multi-Element-Konservativität (die Masse mehrerer Elemente (z.B. Stickstoff und Phosphor) soll exakt erhalten bleiben)
- Positivität (keine negativen Konzentrationen)
- Genauigkeit zweiter Ordnung
- Explizites Zeitschrittverfahren (d.h. keine numerisch teuren Matrixinversionen nötig)
- Fähigkeit zum Lösen ausgewählter steifer DGL-Systeme
Code Generation Tool für Ökosystemmodelle
Ökosystemmodell-Quellcode besteht aus einer Mischung von wissenschaftlichem Kern und technischen Aspekten. Der wissenschaftliche Kern sind die Differentialgleichungen, die beschreiben unter welchen Umweltbedingungen sich die Konzentration einer Zustandsvariable sich wie ändert. Die Technik drumherum erfordert z.B. ein Allokieren von Arrays oder ein Weiterleiten der Ergebnisse an einen Diagnosemanager, um sie in den Modelloutput zu schreiben. Das von mir entwickelte Code Generation Tool (www.ergom.net) macht es möglich, den wissenschaftlichen Kern unabhängig vom technischen Datenhandling zu formulieren. Der Quellcode wird dann auf Basis einer formalen Beschreibung der Textfiles automatisch erzeugt. Dies hat viele Vorteile:
- Verwenden desselben Ökosystemmodells in verschiedenen physikalischen Host-Modellen (z.B. 1-d MATLAB Testmodell, 3-d Fortran Produktionsmodell)
- Automatische Überprüfung der Elementerhaltung
- Automatisches Tagging von Elementen
- (Weiter-)Entwicklung von Ökosystemmodellen auch durch Nicht-Programmierexperten möglich
Das Code Generation Tool ist Open Source Software und wird auch außerhalb des IOW verwendet.
Effiziente Modellvalidierung
Eine sorgfältige Validierung numerischer Ozeanmodelle ist eine wesentliche Voraussetzung für ihre Verwendbarkeit für wissenschaftliche Fragestellungen. Eine Standardmethode ist dabei oftmals ungeeignet, da je nach Fragestellung verschiedene Messgrößen oder räumliche Gebiete besonders intensiv validiert werden müssen. Die R Shiny - Anwendung "Validator" gestattet eine web-basierte Validierung gegen live aus der IOW-Datenbank abgerufene Daten. Verschiedene Plot-Typen (Zeitreihe, Tiefenprofil, Taylor-Diagramm ...) können so mit wenigen Klicks binnen Sekunden interaktiv erzeugt werden. Besonders vorteilhaft ist die Tatsache, dass bereits während der Modellläufe die Daten ausgewertet werden können und so die Berechnungen abgebrochen werden können wenn sich das Modell zu weit von der Realität entfernt.