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Hydrographisch-chemische Zustandseinschätzung der Ostsee 1969

Die ozeanologischen Veränderungen in den Jahren 1969/70 wurden dadurch bestimmt, daß infolge mehrerer Salzwassereinbrüche unterschiedlicher Intensität die Erneuerung des Tiefenwassers in der Ostsee erfolgte. Damit fand eine Stagnationsperiode, die in der Mitte des Jahres 1966 begonnen hatte, ihr Ende.

Von dem Salzwassereinbruch zu Beginn des Jahres 1969 waren in den letzten Februartagen nur noch geringe Reste im Arkonabecken vorhanden. Die Hauptmenge des salzreichen Wassers hatte dieses Becken bereits passiert und war in das Bornholmbecken abgeflossen. Hier begann die durchgreifende Erneuerung des Tiefenwassers im Februar/März und war im Mai beendet. Das dabei zunächst beobachtete, intermediäre Sauerstoffminimum entstand durch Unterwanderung des stagnierenden Tiefenwassers durch frisch eingeströmtes Wasser, während in Grundnähe nur noch geringe Reste "alten" Wassers verblieben. Die sauerstoffarme Zwischenschicht war mit einem Temperatur- und Phosphatminimum korreliert. Im Mai waren die Sauerstoffwerte im gesamten Tiefenwasser dieses Beckens ausgesprochen günstig, und der Phosphatgehalt hatte stark abgenommen. Durch die Umschichtung sank die Wassertemperatur im Bornholmbecken vorübergehend unter 3 °C ab. Gleichzeitig stieg der Salzgehalt auf über 17,6 ‰ an.

Im Verlauf des Sommers und Herbstes verschlechterten sich die Sauerstoffverhältnisse im Tiefenwasser des Bornholmbeckens bereits wieder. Die Abnahme des Sauerstoffgehalts wurde von einer Phosphatakkumulation begleitet. Die Temperaturverteilung im Dezember läßt Warmwasserintrusionen erkennen, die sich nach passieren des Bornholmsgat in der ihrer Dichte entsprechenden Tiefe eingeschichtet hatten. Diese Warmwasserlinsen machen in der kalten Jahreszeit den ständigen Austausch von Wasser zwischen der Arkonasee und dem Bornholmbecken sichtbar. In diesem Zusammenhang muß auch der Anstieg des Salzgehalts auf Station 4 B gesehen werden. Eine ähnliche Situation wurde im Herbst 1971 auf dieser Station angetroffen.

Im Gdansker Becken wurden erst ab Mai 1969 regelmäßige ozeanologische Untersuchungen von uns durchgeführt. Die in diesem Monat beobachteten Inversionen im Temperaturverlauf, in der Sauerstoffverteilung und im Phosphatgehalt lassen darauf schließen, daß bereits eine Wasserumschichtung eingesetzt hatte. Die Sauerstoffverhältnisse und damit die Lebensbedingungen verbesserten sich jedoch nicht so grundlegend wie im Bornholmbecken. Die relativ starken Schwankungen im Salzgehalt und in der Sauerstoffverteilung, die in den Folgemonaten beobachtet wurden, deuten an, daß weitere Advektionen teils "frischen" teils "alten" Wassers in die grundnahen Wasserschichten des Gdansker Beckens erfolgt sind.

Der Einstrom relativ frischen Wassers in das östliche Gotlandbecken zeichnete sich bereits im März 1969 ab. Diese Wassermassen waren zunächst durch höhere, später durch niedrigere Temperaturen gekennzeichnet, während ihre Phosphatkonzentrationen niedriger und ihre Salz- und Sauerstoffwerte höher lagen. Sie konnten im Laufe des Frühjahrs und Sommers das schwefelwasserstoffhaltige, phosphatreiche Tiefenwasser immer weiter nordwärts zurückdrängen, bis im Oktover die Umschichtung im Gotlandtief erfolgte. Die Sauerstoffverteilung läßt erkennen, daß dabei Reste des schwefelwasserstoffhaltigen Tiefenwassers ins Fårötief, in dem die Wassererneuerung bereits eingetreten war, gedrückt wurden. Außerdem sank die Wassertemperatur zunächst ab, während der Salzgehalt geringfügig anstieg. Ein deutlicher Rückgang war beim Phosphatgehalt zu verzeichnen. Im Dezember 1969 war das gesamte östliche Gotlandbecken frei von Schwefelwasserstoff.

Trotz der bis zum Winter 1968/69 in weiten Teilen der Ostsee herrschenden Stagnationsperiode wurde im westlichen Gotlandbecken im März 1969 nur auf Station 32 B Schwefelwasserstoff festgestellt. Im weiteren Jahresverlauf breitete sich jedoch die schwefelwasserstoffhaltige Tiefenschicht aus, wobei die ungünstigsten Bedinungen im Oktober angetroffen wurden. Eine ähnliche Entwicklung war im Landsorttief und im östlichen Gotlandbecken zu verzeichnen. Auf Station 29 A begann im Dezember 1969 bereits die Wassererneuerung.

Die hydrographisch-chemischen Veränderungen in der Oberflächenschicht sind jahreszeitlich bedingt. Im März 1969 reichte die homotherme Deckschicht mit Temperaturen zwischen 0 und 2 °C bis zur thermohalinen Sprungschicht in 50-60 m Tiefe. Mit der allgemeinen Erwärmung im Frühjahr und Sommer stiegen auch die Wassertemperaturen in der Oberflächenschicht an. Die dadurch entstandene warme Deckschicht besaß nur eine Mächtigkeit von 10-20 m und war durch eine scharf ausgeprägte Temperatursprungschicht von erheblich kühleren Wassermassen, in denen Wintertemperaturen "konserviert" sind, getrennt.

Durch die Temperaturabhängigkeit der Sättigungswerte ist der Sauerstoffgehalt ebenfalls jahreszeitlichen Veränderungen unterworfen. So ist im Sommer in der kahlten Zwischenwasserschicht ein deutliches Sauerstoffmaximum vorhanden, das durch die bessere Löslichkeit des Sauerstoffs bei niedrigen Temperaturen bedingt ist. Darüber hinaus wird der jährliche Verlauf des Sauerstoffgehalts durch biologische Aktivitäten, insbesondere durch die Photosynthese, modifiziert.

Durch die Massenentwicklung des Phytoplanktons im Frühjahr verarmt die warme Deckschicht sehr schnell an Mikronährstoffen, deren Rückkehr in die produktive Zone durch die thermische Sprungschicht verhindert wird. Im Mai 1969 war dieser Prozeß bereits beendet.

Infolge winterlicher Abkühlung löst sich die Temperatursprungschicht auf. Damit verbunden ist eine Vermischung und gleichmäßige Verteilung der Mikronährstoffe zwischen Oberfläche und thermohaliner Sprungschicht. Im Dezember 1969 wurden relativ hohe Phosphatwerte in der Oberflächenschicht gemessen. Besonders hohe Werte wurden im Finnischen Meerbusen und im westlichen Gotlandbecken festgestellt. Während im Finnischen Meerbusen die Abwasserzufuhr wahrscheinlich eine bedeutsame Rolle spielt, handelt es sich in den anderen Ostseeregionen zum Teil um Phosphat, das infolge der Wasserumschichtung reaktiviert und zusätzlich dem Nährstoffkreislauf der Ostsee zugeführt wurde. Die hohen Phosphatwerte im westlichen Gotlandbecken, in dem die Umschichtung noch nicht eingetreten war, sind vermutlich dadurch bedingt, daß durch die großräumige Zirkulation, die in den großen Becken der Ostsee gegen den Uhrzeigersinn verläuft, Phosphat aus dem östlichen und nördlichen Gotlandbecken bis hierher transportiert wurde.