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MARNET-Station Arkona See

Phytoplanktonentwicklung an der Küstenstation Heiligendamm im Jahre 2016

Die Sektionen Biologische Meereskunde und Meereschemie des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) führen wöchentliche Probennahmen an der Seebrücke Heiligendamm (54°08,76' N; 11°50,58' E) durch. In diesem Bericht werden die Ergebnisse der Phytoplankton-Untersuchungen vorgestellt. Es wurde Oberflächenwasser mit einer Pütz entnommen.

Die Phytoplanktonbiomasse wurde durch mikroskopische Zählung (UTERMÖHL-Methode) und die Chlorophyll-a-Konzentration durch Ethanol-Extraktion und fluorometrische Messung bestimmt. Dabei wurden die Methodenvorschriften von HELCOM zugrunde gelegt: http://www.helcom.fi/Documents/Action%20areas/Monitoring%20and%20assessment/Manuals%20and%20Guidelines/Guidelines%20for%20monitoring%20phytoplankton%20species%20composition,%20abundance%20and%20biomass.pdf Die Zählung der Phytoplankton-Proben erfolgte mit dem Zählprogramm OrgaCount und basiert auf der HELCOM-Artenliste, die jährlich aktualisiert wird: http://www.ices.dk/marine-data/vocabularies/Documents/PEG_BVOL.zip (Grundlagen siehe in Olenina et al. 2006). Die spezifischen analytischen Bedingungen der Chlorophyll-a-Bestimmung sind in Wasmund et al. (2006) dargelegt. Es werden hier entsprechend der Entscheidung der BLMP-Unter-Arbeitsgruppe Qualitätssicherung vom 11.9.2008 die Chlorophyll-a-Konzentrationen angegeben, die nicht für Phaeopigment korrigiert sind.

Bild 1: Übersichtsbild vom 8.3.2016 mit Skeletonema marinoi und Eutreptiella braarudii
Bild 1: Übersichtsbild vom 8.3.2016 mit Skeletonema marinoi und Eutreptiella braarudii

Die Phytoplanktonproben von 9 Messtagen konnten nicht mikroskopisch ausgewertet werden, da es sturmbedingt zu hohen Sedimentanteilen in den Proben gekommen war. Sie liegen größtenteils in der vegetationsarmen Zeit, so dass der Informationsverlust gering ist.

Die Ergebnisse sind in Abb. 1 dargestellt

Bild 2: Pseudo-nitzschia seriata vom 29.3.2016.
Bild 2: Pseudo-nitzschia seriata vom 29.3.2016.

Die Phytoplanktonbiomasse war bis zum 23.2.2016 (Woche 8) gering. Am 23.2. zeichnete sich aber bereits der Beginn einer Entwicklung von Kieselalgen (Diatomophyceae: Skeletonema marinoi) ab. Die hohe Kieselalgen-Biomasse in der darauffolgenden Woche beruhte nicht auf dem Wachstum dieser Art, sondern auf dem Einstrom eines marinen Wasserkörpers, der durch die sehr Chlorophyll-arme große Kieselalge Coscinodiscus concinnus (2361 mg/m3) und einen hohen Salzgehalt (17,3 psu) geprägt war. Dieser Wasserkörper war in der folgenden Woche (8.3.2016, Woche 10) wieder verschwunden und ersetzt worden durch einen Wasserkörper geringeren Salzgehalts (12,9 psu), der eine Blüte von Skeletonema marinoi (3022 mg/m3) enthielt (Bild 1). Diese kleinzellige Kieselalge ist sehr reich an Chlorophyll, weshalb es dann auch zu dem Jahresmaximum der Chlorophyll-a-Konzentration von 11,0 mg/m3 kam. Daneben kamen Kieselalgen der Gattung Chaetoceros (z.B. Ch. wighamii), Dinoflagellaten (z.B. Katodinium rotundatum) und die Euglenophycee Eutreptiella braarudii (Bild 1) in erwähnenswerten Biomassen vor. Diese Blüte erschien somit 2 Wochen später als im Vorjahr und sie war viel kurzlebiger. Das schnelle Verschwinden der Frühjahrsblüte bereits zum 15.3.2016 (Woche 11) kann mit einem Verdriften der Wasserköper erklärt werden, denn der Salzgehalt nahm auf 9,2 psu ab. In Woche 11 betrug die Biomasse von Skeletonema marinoi nur noch 200 mg/m3, aber es trat nun der mixotrophe Ciliat Mesodinium rubrum mit 87 mg/m3 auf.

Bild 3: Dictyocha speculum (nackte Form) vom 3.5.2016 (Woche 18)
Bild 3: Dictyocha speculum (nackte Form) vom 3.5.2016 (Woche 18)

Mesodinium rubrum nahm zu Woche 12 noch auf 198 mg/m3 zu, blieb damit aber weit unter den sonst für diese Art üblichen Biomassen. Auch die sonst häufigen Dictyochophyceen (Dictyocha speculum, Verrucophora farcimen; hier als „Chrysophyceen“ dargestellt) traten kaum in Erscheinung. Am 29.3.2016 (Woche 13) erschien plötzlich wieder Coscinodiscus concinnus sowie Pseudo-nitzschia seriata (Bild 2). Letztere ist ungewöhnlich für das Frühjahr; sie blieb noch bis zum 12.4.2016 in den Proben; diese Gattung erschien erst wieder im Herbst.

Bild 4: Peridiniella danica vom 3.5.2016 (Woche 18)
Bild 4: Peridiniella danica vom 3.5.2016 (Woche 18)

In den Wochen 14 und 15 war die Biomasse sehr gering, der Chlorophyll-a-Gehalt aber noch hoch, wahrscheinlich verursacht durch teilweise chlorophyll-reiche kleine Flagellaten, wie Katodinium rotundatum, Plagioselmis prolonga, Dinobryon balticum, Teleaulax, Eutreptiella und Hemiselmis (die beiden letzteren nur in Woche 14). In Woche 15 war Pseudo-nitzschia dominierend.

Bild 5: Dolichospermum sp. vom 5.7.2016
Bild 5: Dolichospermum sp. vom 5.7.2016

Nach dem Biomasse-Minimum am 19.4.2016 (Woche 16) entwickelten sich Dictyocha speculum (Maximum in Woche 18: 135 mg/m3; siehe Bild 3), Peridiniella danica (nur in Woche 18: 119 mg/m3; siehe Bild 4) und unbestimmte Prymnesiales (Maximum in Woche 19: 173 mg/m3).

Bild 6:  Blüte von Proboscia alata mit Beimischung von Nodularia spumigena, Dolichospermum sp. und Dactyliosolen fragilissimus (Netzprobe vom 26.7.2016)
Bild 6: Blüte von Proboscia alata mit Beimischung von Nodularia spumigena, Dolichospermum sp. und Dactyliosolen fragilissimus (Netzprobe vom 26.7.2016)

Zusammenfassend betrachtet, war die Frühjahrsblüte im Jahre 2016 als klare Kieselalgenblüte ausgeprägt. Sie fand im Vergleich zu den Vorjahren spät statt und war nur von kurzer Dauer. Der Artenwechsel innerhalb der Blüte könnte fälschlicherweise als Sukzession gesehen werden. In Wirklichkeit wurde ein salzreicherer Wasserkörper, geprägt durch Coscinodiscus concinnus, von einem salzärmeren Wasserkörper abgelöst, der von der typischen Frühjahrs-Kieselalge Skeletonema marinoi dominiert wurde. Die in manchen Jahren auf die Kieselalgen folgenden biomassebestimmenden Arten Mesodinium rubrum, Dictyocha speculum, Eutreptiella braarudii sowie Dinophyceen und Prymnesiophyceen waren im Jahre 2016 nur schwach entwickelt.

Bild 7: Dactyliosolen fragilissimus und Pseudosolenia calcar-avis (Netzprobe vom 13.9.2016)
Bild 7: Dactyliosolen fragilissimus und Pseudosolenia calcar-avis (Netzprobe vom 13.9.2016)

Die Sommerphase begann nach einer kleinen Datenlücke ab Woche 21 (24.5.2016) mit geringen Biomassen (78 mg/m3, Chlorophyll-a-Konzentration 1,3 mg/m3). Das Kohlenstoff/Chl.a-Verhältnis war allerdings mit 16,5 sehr niedrig, d.h nahe der unteren Grenze der natürlichen Spannweite, die nach diversen Literaturangaben von etwa 10 bis 120 reicht (siehe Wasmund et al. 2016). Cryptophyceen, Gymnodiniales und Prymnesiales dominierten von Woche 21 bis 23. In Woche 24 (14.6.2016) trat die Kieselalge Actinocyclus sp. mit 82 mg/m3 auf, aber sie verschwand im Laufe der nächsten 3 Wochen wieder während sich Dactyliosolen fragilissimus kontinuierlich entwickelte.

Bild 8: Nodularia spumigena, zum Teil gealtert und von Nitzschia paleacea bewachsen  (23.8.2016)
Bild 8: Nodularia spumigena, zum Teil gealtert und von Nitzschia paleacea bewachsen (23.8.2016)

Am 5.7.2016 (Woche 27) trat das stickstoff-fixierende Cyanobakterium Dolichospermum sp. spontan mit 261 mg/m3 auf (Bild 5), daneben auch Aphanizomenon sp. mit 19 mg/m3 und Nodularia spumigena mit nur 7 mg/m3. In den Wochen 28 bis 30 gingen die Cyanobakterien etwas zurück, aber es entwickelte sich eine Kieselalgenblüte, die am 12.7.2016 mit Dactyliosolen fragilissimus (704 mg/m3) und Skeletonema marinoi (185 mg/m3) begann und sich am 26.7.2016 mit Proboscia alata (1086 mg/m3) fortsetzte (Bild 6).

Vom 2.8.2016 (Woche 31) bis zum 27.9.2016 (Woche 39) war die Kieselalgenblüte von Dactyliosolen fragilissimus dominiert, mit einem extremen Maximum für diese Art von 3448 mg/m3 am 13.9.2016 (Bild 7). Daneben war Pseudosolenia calcar-avis stark entwickelt mit einem Maximum von 1300 mg/m3 am 13.9.2016.

Hervorzuheben ist auch ein kurzzeitiges extremes Vorkommen von Cyanobakterien am 23.8.2016, wie es für diese Region ungewöhnlich ist. Es wird von Nodularia spumigena gebildet, welches zum Teil schon gealtert erscheint und mit Nitzschia paleacea bewachsen ist (Bild 8). Solche massiven Cyanobakterienblüten rufen immer starkes öffentliches Interesse hervor (z.B. Artikel von Maria Pistor in den Norddeutschen Neuesten Nachrichten vom 23.8.2016). Ein ähnlich starkes kurzzeitiges Vorkommen wurde zuletzt im Jahre 2013 beobachtet. Gleichzeitig kommen diverse Dinoflagellaten vor (Ceratium tripos, Prorocentrum cordatum, Prorocentrum micans, Alexandrium pseudogonyaulax sowie unbestimmte Gymnodiniales). Die im Herbst in der eigentlichen Ostsee Blüten bildende Kieselalge Coscinodiscus granii trat nur vom 30.8.2017 (Woche 35) bis 20.9.2016 (Woche 38) in relativ geringen Biomassen bis 86 mg/m3 auf, aber nicht mehr im weiteren Jahresverlauf. Zum 27.9.2016 (Woche 39) kamen nochmals Cyanobakterien (Nodularia spumigena, Aphanizomenon) auf.

Bild 9: Blüte von Cerataulina pelagica, begleitet von Skeletonema marinoi, Ditylum brightwellii und Chaetoceros spp. Lebend-Netz vom 1.11.2016
Bild 9: Blüte von Cerataulina pelagica, begleitet von Skeletonema marinoi, Ditylum brightwellii und Chaetoceros spp. Lebend-Netz vom 1.11.2016

Vom 11.10.2016 (Woche 41) zum 15.11.2016 (Woche 46) entwickelte sich eine gewaltige Blüte der Kieselalge Cerataulina pelagica mit einem Spitzenwert von 5487 mg/m3 (Bild 9). Sie wurde begleitet von den Kieselalgen Skeletonema marinoi, Pseudosolenia calcar-avis, Ditylum brightwellii, Rhizosolenia pungens, Guinardia delicatula, Chaetoceros spp., Pseudo-nitzschia spp., Thalassiosira spp. und einer abnehmenden Population von Dactyliosolen fragilissimus (Bild 9). Weiterhin kamen die Flagellaten Dictyocha speculum, Hemiselmis sp., Pyramimonas sp., Teleaulax spp., Ceratium fusus sowie der Ciliat Mesodinium rubrum in geringen Biomassen vor.
Der sonst oft im Herbst Blüten bildende Dinoflagellat Ceratium tripos trat im Herbst nicht mehr auf. Lediglich Ceratium fusus kam am 20.9.2016 noch auf eine Biomasse von 192 mg/m3 während Ceratium tripos mit einer ähnlich hohen Biomasse lediglich am 23.8.2016 gefunden wurde. Hohe Biomassen, dominiert von Cerataulina pelagica (945 mg/m3), Pseudo-nitzschia spp. (240 mg/m3) und Rhizosolenia setigera (230 mg/m3), wurden bis zum 13.12.2016 (Woche 50) beobachtet.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Frühjahrsblüte 2016 als fast reine Kieselalgenblüte ausgeprägt war. Andere Phytoplanktongruppen waren in der Frühjahrsblüte relativ unbedeutend. Im Gegensatz zum Vorjahr war eine kräftige Kieselalgen-Sommerblüte sowie eine kurzzeitige Cyanobakterien-Sommerblüte vorhanden. Bedeutende Cyanobakterien-Biomassen kamen erstaunlicherweise noch bis Ende September vor. Die für den Herbst typische Dinoflagellatengattung Ceratium war wie schon im Jahre 2015 unbedeutend. Die Herbstblüte war lang anhaltend und wurde deutlich von Kieselalgen dominiert. Möglicherweise etabliert sich ein Trend zu Kieselalgen-Herbstblüten von zunehmender Dauer.

Abb. 1: Zusammensetzung der Phytoplankton-Biomasse und die Konzentration des Chlorophyll a vom 6.1. bis 20.12.2016 an der Seebrücke Heiligendamm.

Danksagung

Neben den Kolleginnen und Kollegen der Sektion Meereschemie, die an der gemeinsamen Probenahme teilnahmen und Unterstützung gaben, sei insbesondere den Kolleginnen der Sektion Biologische Meereskunde Regina Hansen und Annett Grüttmüller für ihre Beteiligung an der biologischen Probenahme gedankt. Unser Dank gilt auch Solvey Hölzel, Dr. Steffen Bock und Dr. Susanne Feistel, die die technischen Voraussetzungen für die Arbeit mit den Daten und das Laden dieses Berichts auf die IOW-Seite absicherten.

Literatur:

Olenina, I., Hajdu, S., Andersson, A.,Edler, L., Wasmund, N., Busch, S., Göbel, J., Gromisz, S., Huseby, S., Huttunen, M., Jaanus, A., Kokkonen, P., Ledaine, I., Niemkiewicz, E. (2006): Biovolumes and size-classes of phytoplankton in the Baltic Sea. Baltic Sea Environment Proceedings No.106, 144pp.
http://www.helcom.fi/Lists/Publications/BSEP106.pdf

Wasmund, N., Topp, I., Schories, D. (2006): Optimising the storage and extraction of chlorophyll samples. Oceanologia 48: 125-144.

Wasmund, N., Siegel, H., Bohata, K., Flohr, A., Hansen, A., Mohrholz, V. (2015): Phytoplankton stimulation in frontal regions of Benguela upwelling filaments by internal factors. Frontiers in Marine Science 3 (210): 1-17. doi: 10.3389/fmars.2016.00210.

IOW, 08.06.2017
Dr. Norbert Wasmund,
Susanne Busch,
Christian Burmeister.

Leibniz Institute für Ostseeforschung Warnemünde (IOW),
Seestr. 15,
D-18119 Rostock-Warnemünde

Korrespondierender Autor: Dr. Norbert Wasmund