Salzwassereinbruch - Januar 2003
Januar 2003: Salzwasser aus dem Kattegat strömt in die Ostsee
Vom 16. bis 25. Januar 2003 wurde durch die autonomen Messstationen auf der Darßer Schwelle und im Arkonabecken der Einstrom von stark salzhaltigem, kaltem Nordseewasser mit extrem hohem Sauerstoffgehalt registriert. An der Darßer Schwelle, die den Zugang zu den tieferen Ostseebecken bildet, wurden vom 18. - 23. Januar im Oberflächenwasser Salzgehalte über 17 PSU gemessen. Der Einstrom konnte online beobachtet werden, weil die Messdaten der Stationen über Satellit direkt an das Institut für Ostseeforschung Warnemünde und das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg übertragen wurden. Parallel zu diesem Einstrom durch die Belte wurde durch das Schwedische Hydrographische Institut (SMHI) der Einstrom durch den Sund gemessen.
Die Ursache für dieses ungewöhnliche Ereignis lag in dem relativ niedrigen Wasserstand der Ostsee (20-30 cm unter dem Normalstand bei Stockholm*), verursacht durch eine stabile Hochdrucklage über Skandinavien und den dazugehörenden nordöstlichen Winden. Nachdem der Wind über der westlichen Ostsee am 11. Januar, auf West gedreht und Sturmstärke angenommen hatte (15 m pro sec**), sank der Wasserstand der westlichen Ostsee plötzlich auf -80 cm und ein starker Einstrom setzte ein. Der Salzwassereinbruch setzte sich mit heftigen Schwankungen fort, bis der Wind am 18. Januar nachließ. Zu diesem Zeitpunkt lag der Wasserstand bei Stockholm 25 cm über normal. Mit einer Verzögerung von einigen Tagen begann das Nordseewasser über die Schwelle in die tieferen Becken zu strömen. Dieser Prozess wurde dadurch befördert, dass bis zum 24. Januar kontinuierlich Südwind wehte. Hierdurch konnte das schwere Salzwasser, das sich in der flachen westlichen Ostsee gestaut hatte, weiter nach Osten fließen. So wurde verhindert, dass das Salzwasser direkt wieder aus dem Kattegat heraus floss.
Alarmiert durch die Daten der autonomen Messstationen, führten die Forscher vom Institut für Ostseeforschung vom 24. bis 26. Januar eine adhoc-Expedition mit dem Forschungsschiff "Professor Albrecht Penck" durch, um die aktuelle räumliche und zeitliche Verteilung der Wassermassen zu verfolgen. Das Untersuchungsgebiet umfasste die Ostsee zwischen der Mecklenburger Bucht und dem Bornholm-Becken. Der Schwerpunkt lag bei hydrographischen Messungen, ergänzt durch zahlreiche Sauerstoffbestimmungen.
Das eingeströmte Salzwasser hatte zu diesem Zeitpunkt das Arkona-Becken erreicht, wo es eine 10m dicke Salzwasserschicht am Boden bildete. Dieses Wasser war mit Sauerstoff gut angereichert (ca. 8 ml/l). Im Bornholmsgat wurde stark salzhaltiges Wasser mit bis zu 24,5 psu am Boden beobachtet, was auf den Zustrom durch den Sund zurückgeführt werden kann. Auch im Bornholm-Becken konnten bereits die Auswirkungen des Einstroms nachgewiesen werden. Im westlichen Teil des Beckens war die gesamte Wassersäule gut mit Sauerstoff versorgt mit 6.69 ml/l in Bodennähe. Der Salzgehalt betrug hier 18,7 psu. Auch in der Mitte des Bornholmbeckens (Station BY5) konnten erste Anzeichen des Einstroms entdeckt werden. Eine sauerstoffarme Schicht wurde durch neu einströmendes Wasser, welches in einer Tiefe von 87 m 16,2 PSU und 2,98 ml/l Sauerstoff hatte, unterströmt und angehoben.
Solche Einströme von stark sauerstoffhaltigem Wasser sind die einzige Möglichkeit, das Tiefenwasser in der zentralen Ostsee zu erneuern und die Sauerstoff-Situation dort zu verbessern. Aus diesem Grund werden die Einströme sowohl von den Forschern als auch von den Fischern begrüßt. Der letzte Salzwassereinbruch dieser Größenordnung fand im Winter 1993/94 statt. Seitdem verarmte das Wasser in den Tiefenbecken an Sauerstoff und beträchtliche Mengen des toxischen Schwefelwasserstoffes entstanden. Obwohl ein Einstrom mittlerer Stärke im September 1997 das Tiefenwasser durch außergewöhnlich warmes Wasser ersetzte, änderte dies an dem schlechten Belüftungszustand der Becken nachhaltig nichts.
Zum jetzigen Zeitpunkt können die genauen Ausmaße des Salzwassereinbruchs nur geschätzt werden. Das schwedische Forschungsschiff ARGOS berichtet, dass durch den Sund 40 km³ Salzwasser geströmt sind. Was hier einströmt ist normalerweise ein Drittel des Gesamtzustroms durch Sund und Beltsee. Folglich kann davon ausgegangen werden, dass rund 120 km³ Salzwasser in die Ostsee gelangten. Berechnungen auf der Basis von 50 cm Wasserstandsdifferenz am Landsorttief führen zu geschätzten 180 km³. Der momentane Einstrom kann aufgrund seiner Ausmaße und besonders wegen seiner Sauerstoff-Sättigung als wichtigstes Ereignis seit dem Winter 1993/94 gewertet werden. Da sein Volumen (vor der Vermischung) kleiner als 225 km³ ist (das Volumen des Bornholm Beckens unterhalb der Schwelle des Stolpe Kanals), wird erwartet, dass das einströmende Salzwasser das "alte" Bodenwasser des Bornholm-Beckens anhebt. Daraus könnte resultieren, dass dieses "verbrauchte" Wasser durch den Stolpe Kanal ins Gotland-Becken vordringt. Momentan kann noch nicht vorhergesagt werden, wie stark in der Stolper Rinne die Vermischung zwischen dem angehobenen alten Bodenwasser und dem eingeströmten Wasser sein wird.
Auf den im Februar und März stattfindenden regulären Monitoringfahrten des IOW wird das weitere Fortschreiten des einströmenden Wassers und seine Auswirkung auf das östliche Gotland-Becken zu untersuchen sein. Erst danach kann der Salzwassereinstrom abschließend bewertet werden.
* Freundliche Mitteilung SMHI
** Freundliche Mitteilung DWD
Autoren: Dr. Rainer Feistel, Dr. Hans Ulrich Lass, Dr. Günther Nausch, Institut für Ostseeforschung Warnemünde Januar 2003