Salzwassereinbruch - Dezember 2014
Im Verlauf der letzten Dekaden ist das Vorkommen großer Salzwassereinströme (Major Baltic Inflow – MBI) sehr selten geworden. Nach mehr als einem Jahrzehnt geprägt von Sauerstoffzehrung und Stagnation in den tiefen Becken der zentralen Ostsee, ereignete sich im Dezember 2014 ein außergewöhnlich starkes Einstromereignis mit großen Mengen an salzreichem sowie gut mit Sauerstoff gesättigtem Wasser. Anhand zahlreicher Messdaten wurde das Einstromvolumen und die transportierte Salzmenge auf etwa 198 km³ mit 4 Gt Salz abgeschätzt. In der Statistik stellt dieses Ereignis zusammen mit dem MBI von 1913 den drittgrößten Salzwassereinstrom seit Beginn der ozeanographischen Beobachtungen im Jahr 1880 dar. Dieses Großereignis wird zur Belüftung der zentralen Ostseebecken führen und mit hoher Wahrscheinlichkeit die Situation im gesamten Tiefenwasser von anoxisch in oxische Verhältnisse verändern. Daraus ergeben sich großflächig positive Auswirkungen auf marine Lebensbedingungen und Änderungen biogeochemischer Stoffkreisläufe, die sich zeitversetzt auch bis in das Oberflächenwasser durchpausen werden.
Eine langanhaltende Ostwindphase senkte im November den mittleren Wasserstand der Ostsee stark ab und schuf damit eine ideale Ausgangssituation für das nachfolgende Einstromereignis. Am 3. Dezember wurde an der schwedischen Pegelmessstation Landsort Norra, die den mittleren Wasserstand der Ostsee beschreibt, der Jahrestiefstwert von -52 cm registriert (Abb.1). Anschließend setzte eine dreiwöchige Phase von starken Westwinden ein, die Wassermassen aus dem Kattegat durch die schmalen Verbindungen des Großen Belts und des Öresunds in der westlichen Ostsee hinein drückten. Die Windmessungen der Station Arkona im Norden der Insel Rügen (Abb.1) beschreiben die Situation im westlichen Ostseeraum. Dieser kontinuierliche Windantrieb führte bis zum 26. Dezember zu einem Anstieg des mittleren Wasserstandes der Ostsee von rund einem Meter, das ein Gesamtvolumen von rund 320 km³ umfasst.
Der Anteil des salzreichen Wassers, das sich aufgrund der höheren Dichte am Meeresboden einschichtet, umfasst davon etwa 198 km³. Dieses Wasservolumen fließt nach dem Überqueren der Flachwasserzonen in der westlichen Ostsee (Darßer Schwelle, Drogden Schwelle) dichtegetrieben in tiefere Gebiete nach Osten hin ab. Abbildung 2 zeigt die Situation im Arkona Becken zum Zeitpunkt Mitte Dezember. Am Boden sammelt sich salzreiches Wasser mit Salzgehalten bis 26 g/kg, das über den Öresund als kürzeste Verbindung zum Kattegat eingeströmt ist. Darauf schichtet sich geringfügig salzärmeres Wasser bis 21 g/kg. Es ist über den längeren Transportweg vom Großen Belt über die Darßer Schwelle in das Arkona Becken gelangt und wurde auf diesem Weg schon stärker mit anderen Wassermassen vermischt, was zu einer geringfügigen Abnahme des Salzgehaltes führte. Darüber lagert das alte Bodenwasser des Arkona Beckens mit Werten zwischen 10-16 g/kg. Es wurde durch die bodennah einströmenden neuen Wassermassen angehoben.
Rang | MBI | Salzmenge [Gt] | Volumen [km3] |
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1 | November/Dezember 1951 | 5.17 | 225 |
2 | Dezember 1921/Januar 1922 | 5.12 | 258 |
3 | November/Dezember 1913 | 3.80 | 174 |
3 | Dezember 2014 | 3.98 | 198 |
4 | January 1993 | 3.40 | 159 |
5 | November/Dezember 1897 | 3.35 | 177 |
25 | Januar 2003 | 2.03 | 97 |
Im weiteren Verlauf wurde das östlich angrenzende Bornholm Becken (bis -95 m Wassertiefe) gefüllt. Seit Mitte Januar strömt salzreiches Wasser aus dem Bornholm Becken über die Stolper Schwelle hinweg, die ein letztes Hindernis auf dem Weg zum östlichen Gotland Becken (bis -240 m Wassertiefe) darstellt. Zu Beginn wird das angehobene ehemalige Bodenwasser des Bornholm Beckens über Schwelle gedrückt, das geringere Sauerstoffkonzentrationen bis 2 ml/l umfasst. Seit Anfang Februar fließt das neue Bodenwasser über diese Schwelle und der Salzgehalt sowie die Sauerstoffkonzentrationen der Wassermassen die in das Gotland Becken einströmen steigen sukzessive an. In Abbildung 3 und Abbildung 4 sind diese beiden Parameter entlang eines Profilschnittes beginnend in der Kieler Bucht bis hin zum nördlichen Teil des östlichen Gotland Beckens dargestellt. Dabei wird die Situation vor Einstrombeginn im November 2013 (A) mit der Situation im Februar 2015 (B) verglichen. Anhand der ansteigenden Salzgehalte und Sauerstoffkonzentrationen im Tiefenwasser vom Arkona Becken bis hin zum südwestlichen Teil des östlichen Gotland Beckens wird die durch den Einstrom ausgelöste Umweltänderung deutlich (Abbildungen 3 – B, 4 - B). Abbildung 5 zeigt in Kartenform die flächige Veränderung der Sauerstoffminimum-Zonen (<2 ml/l) und Gebiete mit giftigen Schwefelwasserstoffbildungen zu gleichen Zeitpunkten wie die Profilschnitte.
Autoren: Dr. Michael Naumann, Dr. Volker Mohrholz, Dr. Günther Nausch
Kontakt: Dr. Barbara Hentzsch
Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde, Februar 2015
Publikation
Mohrholz,V., Naumann, M., Nausch, G., Krüger, S., and U. Gräwe, 2015.
Fresh oxygen for the Baltic Sea – An exceptional saline inflow after a decade of stagnation. J. Mar. Sys. 2015,
dx.doi.org/10.1016/
j.jmarsys.2015.03.005
Internationaler Workshop
“Major Baltic Inflow (MBI) December 2014” am 20. Mai 2015 am IOW.
Ziel des Workshops wird es sein, Mess-Lücken zu identifizieren, gemeinsame Publikationen und eventuelle Forschungsprojekte rund um diesen größten Salzwassereinbruch seit 1951 zu diskutieren.