Phytoplanktonentwicklung an der Küstenstation "Seebrücke Heiligendamm" im Jahre 2015
Die Sektionen Biologische Meereskunde und Meereschemie des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) führen wöchentliche Probennahmen an der Seebrücke Heiligendamm (54°08,55' N; 11°50,60' E) durch. In diesem Bericht werden die Ergebnisse der Phytoplankton-Untersuchungen vorgestellt. Es wurde Oberflächenwasser mit einer Pütz entnommen.
Die Phytoplanktonbiomasse wurde durch mikroskopische Zählung (UTERMÖHL-Methode) und die Chlorophyll-a-Konzentration durch Ethanol-Extraktion und fluorometrische Messung bestimmt. Dabei wurden die Methodenvorschriften von HELCOM zugrunde gelegt (http://helcom.fi/action-areas/monitoring-and-assessment/manuals-and-guidelines/combine-manual; Annex C4 und C6).
Die Zählung der Phytoplankton-Proben erfolgte mit dem Zählprogramm OrgaCount und basiert auf der HELCOM-Artenliste, die jährlich aktualisiert wird: http://www.ices.dk/marine-data/vocabularies/Documents/PEG_BVOL.zip (PEG_BVOL2014; Grundlagen siehe in Olenina et al. 2006). Die spezifischen analytischen Bedingungen der Chlorophyll-a-Bestimmung sind in Wasmund et al. (2006) dargelegt. Es werden hier entsprechend der Entscheidung der BLMP-Unter-Arbeitsgruppe Qualitätssicherung vom 11.9.2008 die Chlorophyll-a-Konzentrationen angegeben, die nicht für Phaeopigment korrigiert sind.
Die Phytoplanktonproben von 12 Messtagen konnten nicht mikroskopisch ausgewertet werden, da es sturmbedingt zu hohen Sedimentanteilen in den Proben gekommen war. Der Anteil solcher nicht auswertbarer Proben ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich angestiegen. Sie liegen größtenteils in der vegetationsarmen Zeit, so dass der Informationsverlust gering ist.
Die Ergebnisse sind in Abb. 1 dargestellt.
Die Phytoplanktonbiomasse war im Januar naturgemäß gering. Schon während des Temperaturminimums von 2.2°C am 3.2.2015 (Woche 5) begann die Entwicklung von Mesodinium rubrum, Kieselalgen (Diatomophyceae, insbesondere Skeletonema marinoi) und Dictyochophyceen (Dictyocha speculum, Verrucophora farcimen; hier als „Chrysophyceen“ dargestellt). Im Gegensatz zum Vorjahr trat Ceratium tripos zu dieser Zeit nicht mehr auf. Zum 24.2.2015 (Woche 8) ist eine typische Blüte aus Skeletonema marinoi (1926 mg/m³, Bild 1), begleitet von Dictyocha speculum, gewachsen, die sich auch schön in den Chlorophyll-a-Konzentrationen abbildet.
Am 10.3. und 17.3.2015 (Woche 10+11) hatte sich ein salzreicher Wasserkörper (13,3-16,9 PSU) eingeschoben, der von den hier bei den Chrysophyceen eingeordneten Arten Dictyocha speculum und Verrucophora farcimen dominiert wurde (Bild 2). Daneben traten andere typisch marine Kieselalgen (Rhizosolenia setigera, Proboscia alata, Porosira glacialis siehe Bild 3), Dinoflagellaten (Peridiniella danica, Gyrodinium spirale) und unbestimmten Prymnesiophyceen (Bild 4) auf.
Der salzreiche Wasserkörper war am 24.3.2015 (Woche 12) verdriftet und es zeigte sich wieder das salzärmere Wasser (9,7 PSU) mit Skeletonema marinoi (1663 mg/m³) und Mesodinium rubrum. Der darauf folgende salzreichere Wasserkörper vom 7.4.2015 (Woche 14; 15,5 PSU) zeichnete sich durch eine ungewöhnlich hohe Biomasse unbestimmter Prymnesiophyceen aus. Es ist auch die schöne Chrysophycee Dinobryon balticum erwähnenswert (Bild 5).
Zusammenfassend betrachtet, war die Frühjahrsblüte im Jahre 2015 ideal als Kieselalgenblüte ausgeprägt. Der Artenwechsel innerhalb der Blüte könnte fälschlicherweise als Sukzession gesehen werden. In Wirklichkeit lösten sich salzärmere Wasserkörper, durch Skeletonema marinoi und Mesodinium rubrum geprägt, mit salzreicherem Wasserkörpern, die von diversen Flagellatengruppen dominiert wurden, ab.
Nach einer dreiwöchigen Datenlücke waren die Phytoplankton-Biomassen im Mai 2015 sehr gering. Erst im Laufe des Sommers stiegen die Biomassen leicht an und das Phytoplankton wurde vielfältiger, mit unbestimmten kleinen Prymnesiales, Gymnodiniales und Cryptophyceen (Plagioselmis, Teleaulax). Der typische Herbst-Dinoflagellat Ceratium tripos begann schon seine Entwicklung. Am 11.8.2015 (Woche 32) trat spontan die Euglenophycee Eutreptiella sp. auf. Stickstoff-fixierende Cyanobakterien blieben sehr gering und auch eine Kieselalgen-Sommerblüte konnte nicht gefunden werden.
Zum 15.9.2015 (Woche 37) hatte sich eine Blüte der Kieselalgen Pseudosolenia calcar-avis (Bild 6; 863 mg/m³), Cerataulina pelagica (149 mg/m³), Dactyliosolen fragilissimus (55 mg/m³) und Coscinodiscus granii (23 mg/m³) gebildet. Der Anteil der beiden letzteren stieg zum nächsten Messtermin stark an. Es erschienen verschiedene Kieselalgenarten, z.B. erstaunlicherweise die typische Frühjahrsart Skeletonema marinoi vom 20.10.-3.11.2015 mit Biomassen bis 80 mg/m³. Später wurden bedeutend: Rhizosolenia setigera (226 mg/m³) und Guinardia delicatula (79 mg/m³) am 3.11.2015 (Woche 44) sowie Actinocyclus sp. (858 mg/m³) am 17.11.2015 (Woche 46). Interessante Arten waren auch Polykrikos schwartzii (76 mg/m³) und Laboea strobila (76 mg/m³) am 27.10.2015 sowie Heterosigma akashiwo (74 mg/m³) am 17.11.2015.
Im Langzeit-Vergleich ist festzustellen, dass die Frühjahrsblüte im Gegensatz zum Jahr 2013 besonders deutlich ausgeprägt war. Die häufig anzutreffende Kieselalgen-Sommerblüte (wie im Jahre 2014) oder die seltener ausgeprägte Cyanobakterien-Sommerblüte (wie im Jahre 2013) war im Jahre 2015 absolut nicht vorhanden. Die für den Herbst typische Dinoflagellatengattung Ceratium war im Jahre 2015 unbedeutend. Die Herbstblüte war lang anhaltend und wurde deutlich von Kieselalgen dominiert. Die aus der zentralen Ostsee stammende Kieselalge Coscinodiscus granii war im Jahre 2015 nur mit Biomassen bis 198 mg/m³ vertreten; ein Zeichen, dass im Herbst 2015 nur wenig Ausstrom aus der Ostsee aufgetreten sein sollte.
Danksagung
Neben den Kolleginnen und Kollegen der Sektion Meereschemie, die an der gemeinsamen Probenahme teilnahmen und Unterstützung gaben, sei insbesondere den Kolleginnen der Sektion Biologische Meereskunde Regina Hansen, Anja Hansen und Annett Grüttmüller für ihre Beteiligung an der biologischen Probenahme gedankt. Unser Dank gilt auch Solvey Hölzel, Dr. Steffen Bock und Dr. Susanne Feistel, die die technischen Voraussetzungen für die Arbeit mit den Daten und das Laden dieses Berichts auf die IOW-Seite absicherten.
Literatur:
Olenina, I., Hajdu, S., Andersson, A.,Edler, L., Wasmund, N., Busch, S., Göbel, J., Gromisz, S., Huseby, S., Huttunen, M., Jaanus, A., Kokkonen, P., Ledaine, I., Niemkiewicz, E. (2006): Biovolumes and size-classes of phytoplankton in the Baltic Sea. Baltic Sea Environment Proceedings No.106, 144pp.
http://www.helcom.fi/Lists/Publications/BSEP106.pdf
Wasmund, N., Topp, I., Schories, D. (2006): Optimising the storage and extraction of chlorophyll samples. Oceanologia 48: 125-144.
IOW, 14.05.2016
Dr. Norbert Wasmund,
Susanne Busch,
Christian Burmeister.
Leibniz Institute für Ostseeforschung Warnemünde (IOW),
Seestr. 15,
D-18119 Rostock-Warnemünde
Korrespondierender Autor: Dr. Norbert Wasmund
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