Phytoplanktonentwicklung an der Küstenstation "Seebrücke Heiligendamm" im Jahre 2014
Die Sektionen Biologische Meereskunde und Meereschemie des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) führen wöchentliche Probennahmen an der Seebrücke Heiligendamm (54°08,55' N; 11°50,60' E) durch. In diesem Bericht werden die Ergebnisse der Phytoplankton-Untersuchungen vorgestellt. Es wurde Oberflächenwasser mit einer Pütz entnommen.
Die Phytoplanktonbiomasse wurde durch mikroskopische Zählung (UTERMÖHL-Methode) und die Chlorophyll-a-Konzentration durch Ethanol-Extraktion und fluorometrische Messung bestimmt. Dabei wurden die Methodenvorschriften von HELCOM zugrunde gelegt (http://helcom.fi/action-areas/monitoring-and-assessment/manuals-and-guidelines/combine-manual; Annex C4 und C6).
Die Zählung der Phytoplankton-Proben erfolgte mit dem Zählprogramm OrgaCount und basiert auf der HELCOM-Artenliste, die jährlich aktualisiert wird: http://www.ices.dk/marine-data/vocabularies/Documents/PEG_BVOL.zip (PEG_BVOL2014; Grundlagen siehe in Olenina et al. 2006). Die spezifischen analytischen Bedingungen der Chlorophyll-a-Bestimmung sind in Wasmund et al. (2006) dargelegt. Es werden hier entsprechend der Entscheidung der BLMP-Unter-Arbeitsgruppe Qualitätssicherung vom 11.9.2008 die Chlorophyll-a-Konzentrationen angegeben, die nicht für Phaeopigment korrigiert sind.
Die Phytoplanktonproben von 3 Messtagen konnten nicht mikroskopisch ausgewertet werden, da es sturmbedingt zu hohen Sedimentanteilen in den Proben gekommen war. Der Anteil solcher nicht auswertbarer Proben ist im Vergleich zum Vorjahr wieder zurückgegangen.
Die Ergebnisse sind in Abb. 1 dargestellt.
Die Phytoplanktonbiomasse war im Januar bis Mitte Februar 2014 naturgemäß gering während die Wassertemperatur weiter zurück ging (von 5.1 auf 1.8 °C). Sie wurde meistens von Ceratium tripos dominiert, das noch von der vorangegangenen Herbstblüte herrührte. Als der Salzgehalt zum 11.2.14 (Woche 6) auf 11,6 PSU fiel, was einen Ausstrom andeutet, verschwand Ceratium. Die Phytoplankton-Biomasse sank auf unter 42 mg/m3 und die Chlorophyll-a-Konzentrationen auf unter 0,7 mg/m3. Es verblieben hauptsächlich Cryptophyceen (Teleaulax spp., Plagioselmis prolonga, Hemiselmis sp.).
Am 25.2.2014 (Woche 8) kam es nach einem deutlichen Temperatur- und Salzgehaltsanstieg auf 2,9 °C und 15,3 PSU zu einer plötzlichen Blüte von Kieselalgen (Diatomophyceae), gebildet aus Skeletonema marinoi (918 mg/m3), Thalassiosira spp. (403 mg/m3), Chaetoceros cf. wighamii (357 mg/m3, Bild 1) und Detonula confervacea (211 mg/m3). Diese Blüte ist sehr gut mit der Chlorophyll-a-Konzentration korreliert. Sie hielt bis zum 12.3.2014 (Woche 10) an. Neben Nährstoffverbrauch dürften auch Parasiten eine Rolle für den Rückgang der Blüte gespielt haben, wie für Skeletonema beobachtet (Bild 2). Letztlich hielt sich aber Skeletonema marinoi von den 4 genannten Taxa am längsten und stellte am 12.3.2014 (Woche 10) sogar eine Biomasse von 1219 mg/m3. Der Zusammenbruch zum 18.3.2014 könnte durch ein Windereignis (Westwind Stärke 4 bei der Probenahme) begünstigt worden sein, könnte zum Teil aber auch ein Artefakt sein, da keine vernünftige Zählung wegen starker Beimischung von Sedimentpartikeln möglich war (Bild 3).
Nach dem Zusammenbruch der Kieselalgenblüte kam die traditionell starke Frühjahrsart Dictyocha speculum zur Entwicklung, in Abb. 1 unter den Chrysophyceen erfasst. Sie machte im Gegensatz zu den beiden Vorjahren nun eine besonders intensive zweite Frühjahrsblüte mit einem Maximum am 22.4.2014 (Woche 16; 2230 mg/m3). Dieser Flagellat trat nicht nur mit dem typischen Kieselskelett auf, sondern hauptsächlich in seiner „nackten“ Form auf (Bild 4, 5). Neben dieser starken Spätfrühjahrsart konnten andere klassische Vertreter im Jahre 2014 kaum bestehen. Die Dinoflagellaten Ceratium tripos (Bild 5) und Gyrodinium spirale verschwanden nach der 13. Woche schnell wieder, während sich die Cryptophycee Teleaulax spp. immer noch in geringen Biomassen hielt (Bild 6).
Der mixotrophe Ciliat Mesodinium rubrum war in dieser Phase noch schwächer entwickelt als im Vorjahr, d.h. die Tendenz seines Rückgangs setzt sich in der Mecklenburger Bucht fort. Auch die im Jahre 2012 erstaunlich stark entwickelte Euglenophycee Eutreptiella braarudii war im Jahre 2014 wie schon in 2013 unbedeutend. Die im Jahre 2011 blütenbildende Kieselalge Achnanthes taeniata war im Jahre 2014 fast völlig verschwunden; sie trat nur noch vom 25.2. bis 12.3.2014 in geringer Biomasse um 20 mg/m3 auf
Zusammenfassend betrachtet, war die Frühjahrsblüte im Jahre 2014 ideal ausgeprägt, mit einer ersten Phase aus Kieselalgen und einer zweiten Phase aus Flagellaten. Die Kieselalgenphase wurde in klassischer Weise durch Skeletonema marinoi dominiert. Die Flagellatenphase zeigte in verschiedenen Jahren unterschiedliche blütenbildende Taxa, meistens Dinoflagellaten, Dictyocha speculum oder als Ausnahme-Erscheinung Eutreptiella braarudii sowie den Ciliaten Mesodinium rubrum. Im Jahre 2014 hat eindeutig Dictyocha speculum dominant
Von der 18. zur 19. Woche (6.5. und 13.5.2014) verschwand der Frühjahrs-Flagellat Dictyocha speculum fast ganz und es dominierten kurzzeitig die Kieselalgen Rhizosolenia setigera (am 13.5.2014) und Skeletonema marinoi (am 20.5.2014). Am 27.5.2014 (21. Woche) traten Cryptophyceen (Plagioselmis prolonga, Teleaulax spp., Hemiselmis sp.) deutlich in den Vordergrund.
Das schon in Bild 5 gezeigte Ceratium tripos erreichte am 3.6. und 10.6.2014 (Woche 22 und 23) kurzzeitig schon Dominanz, denn dieser in Herbst blütenbildende Dinoflagellat beginnt sein Wachstum schon im späten Frühjahr. Ansonsten treten zu dieser Zeit viele kleine Flagellaten sowie 2-5 µm kleine unbestimmbare Einzelzellen auf (Bild 7). Vielleicht ist deren schlechte Zählbarkeit ein Grund für das sommerliche Biomasseminimum am 24.6.2014, das sich in dieser drastischen Ausprägung im Chlorophyll nicht zeigt.
Nach einem kurzzeitigen Auftreten von Mesodinium rubrum in Woche 26 entwickelten sich die typischen großzelligen Kieselalgen, das schon genannte Ceratium tripos und Stickstoff-fixierende Cyanobakterien beständig. Die dominierenden Kieselalgenarten der Sommerblüten wechseln von Jahr zu Jahr. Die blütenbildende Kieselalge war, wie schon im Jahre 2013, Dactyliosolen fragilissimus. Sie erreichte bereits am 15.7.2014 (Woche 28) ihr Maximum mit 3111 mg/m3. Ceratium tripos erreichte mit 195 mg/m3 ein zwischenzeitliches Maximum eine Woche später. Am 22.7.2014 ist auch der seltenere mixotrophe Ciliat Laboea strobila (Bild 8) präsent.
Eine weitere Woche später (Woche 30) erschienen Cyanobakterien mit 86 mg/m3. Sie setzten sich aus Nodularia spumigena (Bild 9) und zu einem geringeren Anteil aus Aphanizomenon sp. (Bild 10) zusammen. Cyanobakterien-Biomassen sind typischerweise in der Mecklenburger Bucht gering. Das extreme Auftreten von Nodularia spumigena (2060 mg/m3) im Jahre 2013 muss als Ausnahme angesehen werden.
Dactyliosolen fragilissimus war vom 5.8. bis 12.8.2014 (Wochen 31 und 32) wieder sehr stark vertreten. Am 19.8.2014 war durch Westwind der Stärke 4 so viel Sediment aufgewirbelt, dass die Phytoplanktonprobe nicht auswertbar war. Danach war Dactyliosolen fragilissimus verschwunden; als wichtige Kieselalgen traten in Woche 34 Coscinodiscus granii und Pseudo-nitzschia pungens auf.
Die darauffolgende Periode war durch Ceratium tripos (z.B. 352 mg/m3 in Woche 35) geprägt. Dann kamen aber Kieselalgen zur Dominanz, wie in Woche 38 Coscinodiscus granii (66 mg/m3) und Dactyliosolen fragilissimus (25 mg/m3) und in Woche 39-41 Coscinodiscus radiatus (33 mg/m3) und Dactyliosolen fragilissimus (124 mg/m3). Zum 21.10.2014 (Woche 42) entwickelte sich Cerataulina pelagica stark (810 mg/m3). Noch am 11.11.2014 (Woche 45) war es mit 847 mg/m3 vertreten, neben Ceratium tripos (558 mg/m3). Erstaunlich ist das starke Vorkommen des heterotrophen Dinoflagellaten Polykrikos schwartzii (265 mg/m3) an diesem Tag. Die Herbstblüte klingt aus mit einem ungefähren Gleichgewicht zwischen Ceratium-Arten (C. tripos, C. fusus, C. lineatum) und Cerataulina pelagica. In der darauffolgenden 47. Woche (25.11.2014) war die Biomasse sehr gering, und sie erholte sich für den Rest des Jahres auch nicht mehr wesentlich.
Im Langzeit-Vergleich ist festzustellen, dass im Gegensatz zum Jahr 2013 eine deutliche Herbstblüte aufgetreten ist. Diese wurde von der für den Herbst typischen Dinoflagellatengattung Ceratium und von der Kieselalge Cerataulina pelagica gebildet. Eine Beimischung von der aus der zentralen Ostsee stammenden Kieselalge Coscinodiscus granii kam im Jahre 2014 nur geringfügig vor, ein Zeichen, dass im Herbst 2014 nur wenig Ausstrom aus der Ostsee aufgetreten sein sollte.
Die Herbst-Kieselalgenblüten hatten sich seit dem Jahre 2011 reduziert und traten im Vergleich zu den Jahren 2008 und 2009 immer früher auf. Im Jahre 2014 kam es wieder zu einer „normalen“ Blüte im November. In den Jahren 2008 und 2009 fanden sogar im Dezember noch kräftige Kieselalgenblüten statt, was uns zu der Hypothese verleitete, dass sich die Vegetationsperiode verlängert. Diese Tendenz hat sich aber nicht fortgesetzt, und auch im Jahr 2014 finden wir lediglich eine Vegetationsperiode vom 25.2. bis 18.11.2014.
Danksagung
Neben den Kolleginnen und Kollegen der Sektion Meereschemie, die an der gemeinsamen Probenahme teilnahmen und Unterstützung gaben, sei insbesondere den Kolleginnen der Sektion Biologische Meereskunde Regina Hansen, Anja Hansen und Annett Grüttmüller für ihre Beteiligung an der biologischen Probenahme gedankt. Unser Dank gilt auch Solvey Hölzel, Dr. Steffen Bock und Dr. Susanne Feistel, die die technischen Voraussetzungen für die Arbeit mit den Daten und das Laden dieses Berichts auf die IOW-Seite absicherten.
Literatur:
Olenina, I., Hajdu, S., Andersson, A.,Edler, L., Wasmund, N., Busch, S., Göbel, J., Gromisz, S., Huseby, S., Huttunen, M., Jaanus, A., Kokkonen, P., Ledaine, I., Niemkiewicz, E. (2006): Biovolumes and size-classes of phytoplankton in the Baltic Sea. Baltic Sea Environment Proceedings No.106, 144pp.
http://www.helcom.fi/Lists/Publications/BSEP106.pdf
Wasmund, N., Topp, I., Schories, D. (2006): Optimising the storage and extraction of chlorophyll samples. Oceanologia 48: 125-144.
IOW, 02.02.2015
Dr. Norbert Wasmund,
Christian Burmeister,
Susanne Busch.
Leibniz Institute für Ostseeforschung Warnemünde (IOW),
Seestr. 15,
D-18119 Rostock-Warnemünde
Korrespondierender Autor: Dr. Norbert Wasmund
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... licht- und elektronenmikroskopische Aufnahmen pelagischer Mikroalgen