Phytoplankton an der Küstenstationen "Seebrücke Heiligendamm" und Kühlungsborn im Jahre 2007
Die traditionelle wöchentliche Phytoplankton-Probennahmen des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) konnte vom 16.1. bis 29.5.2007 wegen Bauarbeiten nicht wie üblich an der Seebrücke Heiligendamm (54°08,55' N; 11°50,60' E) durchgeführt werden. Wir wichen auf die Seebrücke Kühlungsborn aus, an der ähnliche Bedingungen wie in Heiligendamm herrschen dürften. Die Probennahme konnte in der Woche um den 5.6.2007 wegen des G8-Gipfels nicht durchgeführt werden. Nach dem G8-Gipfel fanden die Probennahmen wieder wie gewohnt in Heiligendamm statt. Am 6.11.07 mußte die Probennahme wegen orkanartiger Stürme abgebrochen werden. Es gab 10 weitere Tage, an denen speziell die Phytoplanktonproben wegen starker Sedimentbeimischungen nicht ausgewertet werden konnten. Eine Chlorophyllbestimmung war aber möglich.
Die Phytoplanktonbiomasse wurde durch mikroskopische Zählung (UTERMÖHL-Methode) und die Chlorophyll-a-Bestimmung durch Ethanol-Extraktion und fluorometrische Messung (Berechnung nach LORENZEN-Methode) bestimmt. Dabei wurden die Methodenvorschriften von HELCOM zugrundegelegt (http://www.helcom.fi/Monas/CombineManual2/CombineHome.htm).
Die Zählung der Phytoplankton-Proben erfolgte mit dem Zählprogramm PhytoWin auf Grundlage der neuen HELCOM-Liste (Olenina et al. 2006). Die spezifischen analytischen Bedingungen der Chlorophyll-a-Bestimmung sind in Wasmund et al. (2006) dargelegt.
Die relativ hohen Chlorophyllkonzentrationen am ersten Untersuchungstag wurden möglicherweise durch windbedingte Resuspension sedimentierten Materials hervorgerufen (Windstärke 5). Das Phytoplankton wurde erstaunlicherweise von Kieselalgen (Diatomeen) dominiert, insbesondere Rhizosolenia setigera, Skeletonema "costatum", Proboscia alata und Guinardia flaccida. Trotz erforderlicher Neubewertung der Skeletonema-Arten (vgl. Sarno et al., 2005) behalten wir vorläufig den Namen Skeletonema costatum bei. Am 9.1.07 bildeten die Kieselalgen Proboscia alata, Porosira glacialis, Thalassiosira punctigera, Skeletonema "costatum" und Rhizosolenia setigera jeweils Biomassen von über 20 mg m-3. Am 6.2.07 (Woche 6) traten zu den Kieselalgen (Proboscia alata, Rhizosolenia setigera) auch Dictyocha speculum und Mesodinium rubrum hinzu, verschwanden in der darauffolgenden 2 Wochen aber wieder. Von der 10.Woche an haben sich schließlich Dictyocha speculum und Mesodinium rubrum deutlich etabliert, während Kieselalgen schwach blieben. Erst zum 27.3.07 (13. Woche) entwickelten sich die Kieselalgen (Coscinodiscus granii, Rhizosolenia setigera) stärker. In den folgenden Wochen kommt es zur Blüte von Skeletonema costatum (daneben Rhizosolenia setigera, Chaetoceros decipiens), während Dictyocha speculum und Mesodinium rubrum zurück gehen. Diese Sukzession ist sehr ungewöhnlich. Eigentlich sollten erst die Kieselalgen wachsen, z.B. Thalassiosira- und Chaetoceros-Arten, event. auch Rhizosolenia setigera und Porosira glacialis, gefolgt von Skeletonema. Coscinodiscus granii gehört normalerweise in den Herbst. Dictyocha speculum und Dinoflagellaten sollten erst nach der Kieselalgenblüte zu erwarten sein. Die Spitze der Kieselalgen-Frühjahrsblüte wurde am 24.4.07 (Woche 17) gefunden, was relativ spät ist.
Nach der Blüte entwickelten sich vorrangig mixotrophe Chrysochromulina-Arten, aber auch Cryptophyceen, Dinoflagellaten und kleine unbestimmte Einzeller. Am 17.7.07 (Woche 29) kam es zu einer ersten Entwicklung von typischen Sommer-Kieselalgen, wie Cerataulina pelagica und Proboscia alata. Letztere erreichte am 7.8.07 (Woche 32) eine Spitzen-Biomasse von 2047 mg m-3 und verschwand dann sofort wieder. Auch auf diese Blüte folgten wieder Chrysochromulina spp. und Cryptophyceen. Proboscia alata war zum 14.8.07 weitgehend durch Dactyliosolen fragilissimus (443 mg m-3 ) ersetzt. Am 21.8.07 trat die Frühjahrsart Skeletonema "costatum" mit 185 mg m-3 erstaunlich stark in Erscheinung.
Nach einer dreiwöchigen Lücke durch starke Probenverunreinigung (Resuspension von Sediment durch Windstärken 6-7) war die Herbst-Kieselalge Coscinodiscus granii kurzzeitig stark in Erscheinung getreten (326 mg m-3), dann aber abgelöst durch Cerataulina pelagica und Ditylum brightwellii. Am 2.10.07 (40. Woche) war Dactyliosolen fragilissimus dominierend (1453 mg m-3) und erreichte am 9.10.07 einen Spitzenwert von 6436 mg m-3. Am 23.10.07 (43. Woche) war sie schon wieder bedeutungslos, während Cerataulina pelagica eine Biomasse von 220 mg m-3 hatte. Diese Art erreichte ihren Spitzenwert am 20.11.07 mit 1636 mg m-3. Im Dezember war die Phytoplankton-Biomasse erwartungsgemäß niedrig.
Es kann zusammengefasst werden, dass das Jahr 2007 von seiner Sukzession her ungewöhnlich war, z.B.:
- frühe Dictyocha-Blüte, aber späte Kieselalgen-Frühjahrsblüte,
- insgesamt im Jahresverlauf stark dominierende Kieselalgen,
- dafür ungewöhnlich gering entwickelte Dinoflagellaten, insbesondere Ausbleiben der Ceratium-Herbstblüte zugunsten einer starken Kieselalgen-Herbstblüte,
- im Vergleich zum extremen Jahr 2006 eine sehr geringe Cyanobakterien-Entwicklung.
Die starken Fluktuationen in der Artenzusammensetzung der Kieselalgen dürften durch die Strömungen bedingt sein, die unterschiedliche Wasserkörper in kurzen zeitlichen Abständen an dieser flachen Küstenstation vorbeiführen.
Literatur
Olenina, I., Hajdu, S., Andersson, A.,Edler, L., Wasmund, N., Busch, S., Göbel,
J., Gromisz, S., Huseby, S., Huttunen, M., Jaanus, A., Kokkonen, P., Ledaine,
I., Niemkiewicz, E. (2006): Biovolumes and size-classes of phytoplankton in
the Baltic Sea. Baltic Sea Environment Proceedings No.106, 144pp.
Internet-Zugang:
Paper: http://www.helcom.fi/stc/files/Publications/Proceedings/bsep106.pdf
Tabelle: http://www.helcom.fi/stc/files/Publications/Proceedings/bsep106ANNEX1Biovolumes_web.xls
Sarno, D., Kooistra, W.H.C.F., Medlin, L., Percopo, I., Zingone, A., 2005. Diversity in the genus Skeletonema (Bacillariophyceae). II. An assessment of the taxonomy of S. costatum-like species with the description of four new species. J. Phycol. 41, 151-176.
Wasmund, N., Topp, I., Schories, D. (2006): Optimising the storage and extraction of chlorophyll samples. Oceanologia 48: 125-144.
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IOW-Fotogalerie einzelliger Ostseealgen
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