Weblog 3
Das Arbeitsgebiet
Jetzt ist es wohl an der Zeit, einmal zu erklären, warum wir viel Aufwand im Vorfeld auf uns genommen haben, um FS Sonne samt dem Tiefseeroboter Quest, dazu 4 zusätzliche Container mit wissenschaftlichem Gerät und ein 27 Personen starkes wissenschaftliches Team in den Okinwatrog zu bringen und dort in zwei kleinen definierten Arbeitsgebieten Forschung zu betreiben.
Der Okinawatrog ist eine tektonisch bedingte Spreizungszone, in der eine Vielzahl von hydorthermalen Quellen und Formationen bekannt ist. Dies sind Regionen, in denen heiße Flüssigkeiten aus dem Meeresboden aufsteigen. Bei Kontakt der heißen Lösungen mit dem Meerwasser kommt es oft durch die thermische Abschreckung oder Reaktion mit dem Meerwasser unter den hier herrschenden chemischen Bedingungen, die völlig anders sind als die der Lösungen selbst, zu Fällungsreaktionen. Insbesondere sehr heiße Quellen führen oft noch Metalle mit, die dann Sulfide bilden. Solche sehr heißen Systeme, die den meisten als schwarze Raucher bekannt sind und Ende der 70er Jahre erstmals entdeckt wurden, sind den meisten sicherlich zumindest in Bildern bekannt.
Die Prozesse und der Chemismus an den hydrothermalen Systemen des Okinawatrogs, einem sogenannten Backarc Basin (da fehlt mir in der Tat die deutsche Bezeichung), ist etwas anders geartet als an den mittelozeanischen Spreizungsachsen, aber das führt hier vielleicht zu weit. Wir jedenfalls interessieren uns für drei ganz außergewöhnliche Hydrothermalfelder im Gebiet des Okinawatrogs, welche die Bezeichnungen Yonaguni Knoll IV, Hatoma Knoll, und Izena Hole tragen. Ihnen ist eines gemeinsam: das Austreten von flüssigem Kohlendioxid am Meeresboden. Dieses Phänomen wurde außerhalb unserer Arbeitsgebiete weltweit nur in einem einzigen anderen Hydrothermalfeld beobachtet, dem sogenannten NW Eifuku Vulkan im Bereich des sogenannten Marianenbogens. An diesem Feld sind wir auf der Anfahrt fast vorbeigefahren, denn auch Guam ist Teil dieses Inselbogens, an den sich östlich der Marianengraben anschließt, der tiefste Bereich unserer Weltmeere. Für unsere Arbeiten sind aber die Gebiete des Okinawatrogs deutlich besser geeignet, denn der NW Eifuku Vulkan (sein höchster Punkt liegt etwa 1600 m unterhalb der Meeresoberfläche) ist fast gänzlich ohne Sedimentbedeckung. Zur optimalen Nutzung unserer 15 Arbeitstage haben wir uns auf dieser Fahrt auf die Gebiete Yonaguni Knoll IV und Hatoma Knoll beschränkt, da über Nacht von einem Gebiet in das andere umgesetzt werden kann und alle Prozesse, die wir untersuchen wollen, hier zu finden sind.
Das Hydrothermalfeld Yonaguni Knoll befindet sich in einem von mehreren
Seebergen gebildeten, von NW nach SE verlaufenden Tal. Mindestens
sieben unterschiedliche hydrothermale Quellgebiete sind in dieser
Senke in Wassertiefen um 1400 m bekannt.
Ihrem Wesen nach sind sie
aber extrem unterschiedlich. Der Lion Chimney im Norden ist ein
aus Erzen aufgebautes kleines Gebirge, mehrere 10er Meter hoch,
mit heißen Schloten an einigen der "Gipfel". Abyss
Vent hingegen ist eher eine kleine Vertiefung aus der heiße
Lösungen aufsteigen. Am Swallow Chimney beobachten wir nicht
nur das Aufsteigen von Kohlendioxidtropfen, sondern auch ihr Ansammeln
an einem kleinen Überhang, der zur Bildung von Kohlendioxid-Gashydrat
führt. Besonders interessant sind für uns hier aber die
von Kohlendioxid und Kohlendioxidhaltigen Lösungen durchsetzten
Sedimente. Sie ermöglichen Untersuchungen, ob unter solchen
Bedingungen noch Leben möglich ist, welche Arten auftreten
und welche Anpassungsmechanismen sie entwickelt haben. Dass es selbst
für größere Organismen möglich ist, in dieser
stark angesäuerten, aggressiven Umgebung zu gedeihen, springt
dem Beobachter schnell ins Auge. Denn die Austrittstellen an den
hydrothermalen Schloten (Chimneys) sind dicht von Schlotkrabben
besetzt, die ihre Positionen im chemischen Hexenkessel vehement
verteidigen.
Hatoma Knoll ist eine unter dem Meer liegende Caldera, eine Art eingefallener Vulkankegel, in dessen Mitte sich mehrere aktive Hydrothermalsysteme befinden. Durch die ringsum befindlichen steilen Hänge ist der Bereich eingekesselt, was zu besonders starken Anreicherungen im Wasserkörper führt. Die Sedimentbedeckung ist eher dünn, und zudem durch eingelagerte harte Mineralien kaum zu beproben. Hatoma Knoll hat in der Tat eine große Ästhetik, was sich besonders in einer dreidimensionalen Sicht offenbart.
Hier untersuchen wir vor allem das Verhalten von kohlendioxidhaltigen Gasen beim Weg durch die Wassersäule. Wie steigen sie auf, wo wird das Kohlendioxid abgegeben, wie stark das Meerwasser angesäuert? Auch hier sind es nicht die Gasblasen, die uns per unterseeischem Auge den Weg zu den Quellen weisen, sondern die dichten Siedlungen spezialisierter Bewohner dieser uns unwirtlich anmutenden Umgebung.
Neben der reinen naturwissenschaftlichen Neugier, diese einmaligen Lebensräume zu verstehen, die Auswirkungen auf die chemische Zusammensetzung des Sediments, die Verwitterung von Gestein und die Zusammensetzung und Funktionsweise der spezialisierten Meeresbewohner von mikro- bis makrobiologischer Ebene, hat das Projekt SUMSUN einen durchaus angewandten Hintergrund. Das Projekt will an diesem "natürlichen Labor" Rückschlüsse darüber gewinnen, welche Auswirkungen die Deponierung von Kohlendioxid in der Tiefsee oder in ihren Sedimenten haben können - eine zur Zeit stark im Fokus stehende Möglichkeit der Verminderung des Anstiegs des Kohlendioxidgehalts in der Atmosphäre. Darüber mehr beim nächsten Mal …