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Moderne Meeresforschung – ein komplexes Puzzle, bei dem alle Teile passen müssen

Eigentlich sollte nach drei Tagen aktiver Forschung an dieser Stelle ein Bericht über die ersten Eindrücke im Arbeitsgebiet stehen. Kommt auch noch– aber die Ereignisse der letzten Tage legen es nahe, unsere Arbeit im Zusammenhang mit den anderen wichtigen Faktoren zu sehen, die bei moderner Meeresforschung eine Rolle spielen. Die Geheimnisse und Prozesse, die wir am Meeresboden untersuchen wollen, sind natürlich ein entscheidender Faktor. Kaum etwas ist schlimmer als ein unerwartet unattraktives Forschungsgebiet. Aber das – soviel sei vorweggenommen – ist auf dieser Fahrt wirklich nicht unser Problem.

Positionierung
Nach 5 Tagen Transit sind wir in der Nacht zum 7.März in unserem Arbeitsgebiet angekommen. Erste Aufgabe: die Inbetriebnahme und Kalibrierung des gerade neu an Bord gekommenen Posidonia-Systems. Hiermit ist es möglich, in mehreren 1000 m Wassertiefe genau festzustellen, wo ein am Meeresboden eingesetztes Gerät sich befindet; für unsere geplanten punktgenauen Arbeiten am Meeresboden eine essentielle Voraussetzung. Da das System an Bord neu ist, ist seine fehlerfreie Funktion von der Planung her eines der Nadelöhre des Projekts. Nach Einmessen und Kalibrierung herrscht große Zufriedenheit. Mit einer Genauigkeit von wenigen Metern lässt sich ein am Boden in 1500 m Wassertiefe abgesetztes Objekt „einmessen“. In der Tat werden wir im weiteren Verlauf der Fahrt sehen, dass wir mit dem System sowohl den Tauchroboter Quest als auch alle anderen einzusetzenden Geräte in 1500 m Wassertiefe auf nur wenige m genau auf Position bringen können.

High Tech
Am Morgen folgt dann der langersehnte erste Einsatz des Tauchroboters Quest des Bremer MARUM, eines mobilen Hochleistungstauchroboters für die Meeresforschung. Das Gerät ist mittlerweile seit 5 Jahren im Einsatz, wird auf dieser Fahrt – so alles glatt geht - seinen 200sten Einsatz haben, und von den technischen Möglichkeiten, der Geschichte der Entwicklung und den Mannen, die dahinterstehen, wird zu anderer Zeit noch die Rede sein. Der Quest und seine Peripherie ist für ein Gerät dieser Größe erstaunlich mobil. Der Tauchroboter mit seinen nahezu 3,5 t Gewicht ist in der Tiefsee über ein 18 mm starkes stahlarmiertes Kabel mit seinen stromführenden Leitungen und datenführenden Glasfaserkabeln mit uns verbunden, welches durch eine mobile 15 t schwere Winde geführt wird. In insgesamt vier Containern mit Standardgröße kann das gesamte System zu Einsätzen rund um den Globus geschickt werden. Der „Quest“ war schon auf FS Meteor und Polarstern unterwegs. Sein Einsatz hier auf der FS Sonne ist Premiere. Damit wird das System nun bald auf allen vier deutschen Großforschungsschiffen angepasst sein.

Anpassung von ROV und Schiff
Wird es klappen? Unerwartet treten Probleme mit der Kabelführung für den A-Rahmen auf. Eine Umlenkrolle ist zu schwergängig, die Führung für den Aussetzdraht hat zu viel Widerstand. Die eigens für diesen Zweck in der Werft versetzte Beiholerwinde kann das Gerät nicht in jedem Winkel heben. Nach vergeblichen Versuchen steht fest, dass die Kabelführung geändert werden muss. Mit einem im Absatzgestell gesicherter Schwerlastblock und einer durch den leitenden Ingenieur des Schiffes erhöhten Maximallast der Winde sind wir 4 h später erneut bereit zum Aussetzen.

Wind, Wetter, und Schiffsverhalten
Das Aussetzen gelingt, aber nur unter schwerstem Einsatz und nicht ohne Gefahr für das beteiligte Personal. Dabei waren die Grundvoraussetzungen gut gewesen. Windstärke 4-5 sind für den Einsatz auch von Schwerstgerät auf der sehr stabil in der See liegenden Forschungsplattform FS Sonne in der Regel kein Problem. Doch hier, zwischen Taiwan und den japanischen Okinawainseln, ist alles anders. Unser erstes Arbeitsgebiet liegt in der Hauptstromachse des Kuroshio, eines Randstroms, der warmes Wasser vom Äquator heranführt. Er ist das Pazifische Pendant zum Golfstrom, den wir Westeuropäer besser kennen, zumal er uns die relativ milden Winter beschert. Zurzeit strömt der Kuroshio mit 2,5 Knoten, was für die Positionierung des Schiffes schwierig ist und deutlich die Maximalgeschwindigkeit des Quest übersteigt. Zudem führt der Strom zu einer Verkürzung der aus entgegengesetzter Richtung herankommenden Dünung, die dadurch steil und hochfrequent wird. Zusammen mit dem stark stampfenden Schiff führt das zu schnellen Änderungen der erforderlichen Kabellänge beim Aussetzen, was die Winde so schnell nicht kompensieren kann. Der schwere, unter Hochspannung stehende Draht schlägt auf das Achterdeck. Selbst nach dem Abtauchen herrschen noch schwierige Bedingungen, denn der mächtige Kuroshio wirkt bis in eine Tiefe von 500 m. Erst etwa 45 min später und 900 m tiefer werden wir mit den ersten Bildern und Eindrücken aus einem einzigartigen Seegebiet belohnt werden.

Learning by doing
Die Aussetz- und Einholmanöver prägen unsere Strategie für den Rest der Fahrt. Dank des schnell eingespielten Teams von Schiff und ROV ist die Situation nun kontrollierbar und das Aussetzen eine sichere Prozedur geworden. Hier, nahe der Nordspitze Taiwans, ist ein Tauchgang mit dem Quest nur möglich, wenn die Windverhältnisse mitspielen. Dabei geht es vor allem um die Richtung des Windes, nicht die Stärke. Denn wenn der Wind dem Strom entgegenwirkt, baut sich die Dünung auf und wird das Aussetzen zum Sicherheitsrisiko. Fortan wird der Arbeitsablauf von zwei Wetterbesprechungen pro Tage geprägt, und Einsatz und Länge der Tauchgänge mit Blick auf die Wetterprognose und die meteorologischen Instrumente an Bord nur im Konsens zwischen Fahrtleitung, Schiffsführung und Leitung des ROV-Teams beschlossen.

 

FS Sonne auf See, hier vor dem malerischen Hintergrund von Raoul Island.
FS Sonne auf See, hier vor dem malerischen Hintergrund von Raoul Island.
Huang Ahn Mai bei Umbaumaßnahmen am Aussetzrahmen des ROV Quest.
Huang Ahn Mai bei Umbaumaßnahmen am Aussetzrahmen des ROV Quest.
Änderungen an A-Rahmen und Aussetzrahmen: letzte Anpassungen auf See.
Änderungen an A-Rahmen und Aussetzrahmen: letzte Anpassungen auf See.
Der Tiefseeroboter Quest, endlich durch die Beiholerwinde zu heben und fertig zum Aussetzen.
Der Tiefseeroboter Quest, endlich durch die Beiholerwinde zu heben und fertig zum Aussetzen.
Der Kuroshio, eines der stärksten Randstromsysteme der Erde, führt in dieser Jahreszeit Wassermassen mit Strömungsgeschwindigkeiten von bis zu 3 kn durch unser Arbeitsgebiet - mit entscheidendem Einfluss auf die klimatischen Verhältnisse in Japan.
Der Kuroshio, eines der stärksten Randstromsysteme der Erde, führt in dieser Jahreszeit Wassermassen mit Strömungsgeschwindigkeiten von bis zu 3 kn durch unser Arbeitsgebiet - mit entscheidendem Einfluss auf die klimatischen Verhältnisse in Japan.
Der Einholvorgang des ROV Quest, hier bei etwas ruhigeren Verhältnissen vor Costa Rica im Jahr 2005.
Der Einholvorgang des ROV Quest, hier bei etwas ruhigeren Verhältnissen vor Costa Rica im Jahr 2005.
Wetterprognosen sind in den letzten Jahren extrem zuverlässig geworden. Für das Arbeiten im Gebiet „Yonaguni Knoll“ sind sie die wichtigste Stütze der Einsatzplanung.
Wetterprognosen sind in den letzten Jahren extrem zuverlässig geworden. Für das Arbeiten im Gebiet „Yonaguni Knoll“ sind sie die wichtigste Stütze der Einsatzplanung.