FS Meteor - Meteor 87/4
4. Wochenbericht (15.07.-22.07.2012)
Samstag, 21. Juli, 17:00 Uhr
55° 06N, 14° 4E zwischen Bornholm und Rügen
Dieser letzte Wochenbericht der M87/4 wagt sich einmal an eine zeitlich etwas sprunghafte Darstellung der Geschehnisse der letzten Woche.
Nachdem wir die Stationsarbeiten gestern Nachmittag beendet und gegen zwei Uhr heute früh die Grenze des für die Oberflächenmessungen genehmigten Gebietes verlassen haben, befinden wir uns nun, gegen 17 Uhr am Samstag, dem 21ten Juli, auf dem Weg in den Ziel- und für die überwiegende Mehrheit von uns auch Heimathafen Rostock. Die meisten von uns sind mit dem Räumen der Labore und Packen der Container beschäftigt, dieser stets wieder wundersamen Rückwandlung von voll eingerichteten Laboren zu weitgehend leeren Räumen in nur wenigen Stunden.
Die letzten 48 h des Arbeitsprogrammes hatten es noch einmal in sich, zumal wir die Bergung aller ausgesetzter Geräte, des Drifters, der Sinkstofffallenverankerung und der profilierenden Verankerung GODESS in diesen Zeitraum gelegt hatten, um diese möglichst lange Daten bzw. Proben sammeln zu lassen. Der Drifter wurde am Nachmittag des 18ten Juli innerhalb einer Stunde etwa 20 Meilen ostnordöstlich der Aussetzposition ohne nennenswerte Schwierigkeiten geborgen – er hatte uns eher vor der Bergung in Aufruhr versetzt. Nachdem er nahezu eine Woche lang in sehr geringem Abstand der TF 271 in der zentralen östlichen Gotlandsee verblieben war, nahm er, pünktlich nachdem FS METEOR am 14ten Juli die direkte Umgebung des Gerätes verlassen hatte, beachtlich an Fahrt in Richtung Osten auf. So standen unsere Arbeiten im Bereich der westlichen Gotlandsee unter dem Damoklesschwert eines drohenden Abbruchs, um die 45 m in die Tiefe ragende Messkette nicht an der Lettischen Küste in Bodenkontakt treten zu lassen. Durch eine Verlagerung der Hauptbewegungsrichtung des Drifters nach Süden war es schließlich aber doch möglich gewesen, unsere 2,5 tägigen Arbeiten in den immer noch deutlich mehr Cyanobakterien beherbergenden Gewässern um die Station TF 284 abzuschließen, unter anderem mit einem kompletten Tagesgang inklusive des dreimaligen Einsatzes des AFIS-Probennehmers am 17ten Juli. Dabei hatte sich gezeigt, dass die nach wie vor durch Aphanizomenon sp. dominierten Primärproduzenten hier deutlich weniger anfällig auf den in der Nacht vom 15ten auf den 16ten Juli herrschenden Sturm reagierten, was auch mit einem geringeren Einfluss auf die Tiefe der durchmischten Schicht in Zusammenhang zu stehen scheint. Dieses wohl stärkste Windereignis der Fahrt hatten wir mit einer Oberflächenaufnahme von Temperatur, Salzgehalt, CO2-Partialdruck und flüchtigem Quecksilber um die Station TF 284 erfolgreich „abgewettert“, allerdings zum Preis leichterer Überschwemmungen in den mit der Oberflächenwassermessung befassten Laboren.
Zurück zum Geschehen östlich Gotlands, nahe der Station TF 271, einige Tage später: Nach der Bergung des Drifters am 18ten Juli stand für den Nachmittag des 19ten Juli die Bergung der GODESS Verankerung und der Sinkstofffallenverankerung an. Zuvor war die Nacht und der Vormittag für weitere Arbeiten an unserer Hauptstation genutzt worden. Dabei ist insbesondere der erfolgreiche Einsatz eines neu entwickelten Nährstoffprobensamplers in Verbindung mit der Pump-CTD zu erwähnen, mit dem in kurzer Zeit ein Profil der Nährstoffverteilung der oberen 40 m der Wassersäule mit einer Auflösung von 1 m gesammelt wurde. Eine solche vertikale Auflösung ist mit der sonst eingesetzten System aus CTD und Kranzwasserschöpfer sowohl aufgrund der verfügbaren Schöpferzahl wie auch aufgrund der Limitierung durch Verschleppung und die vertikale Dimension des Geräts schlicht nicht möglich. Bei dem hierauf folgenden Versuch die GODESS-Verankerung zu bergen zeigte sich dann aber, dass die Geräte trotz positiven Signals durch den Releaser nicht an die Oberfläche kamen. Nach mehreren Versuchen wurde daher zunächst die Sinkstofffallenverankerung ausgelöst und sicher geborgen. Nach erneut fruchtlosem Versuch, die GODESS-Verankerung durch Auslösen des Releasers an die Oberfläche zu bringen, wurde der Versuch der Bergung vorerst aufgegeben, die Nacht für abschließende Arbeiten an der Station TF 271 und ein letztes Oberflächennetz in der Nacht genutzt, um pünktlich um 6 Uhr am Morgen des 20sten Juli, unseres letzten Arbeitstages, die GODESS-Verankerung durch „Igeln“ der Bodenleine zu bergen. Dieses Unterfangen gelang, durch sorgfältige Vorbereitung und Durchführung aller Beteiligten auf Brücke und an Deck, schließlich im dritten Anlauf, so dass nach knapp fünf Stunden auch die GODESS-Verankerung sicher und unversehrt an Bord stand.
An das Meer verloren haben wir also nichts auf unserer Fahrt (ein Handnetz, um ganz korrekt zu sein), wohl aber viel gewonnen, denn es zeigte sich, dass sowohl die aufzeichnenden Komponenten des Drifters wie auch die Speicher-CTD-Einheit der GODESS-Verankerung erfolgreich über den gesamten Einsatzzeitraum Daten aufgezeichnet haben, und auch die Sinkstofffalle hatte bis zum Ende ihres Programms Proben genommen. Die letzte Stationsarbeit diente schließlich dem Abgleich der zwei Stunden nach der Bergung bereits ausgelesenen Speicher-CTD der GODESS-Verankerung und der mit doppelter Sensorik ausgestatteten CTD am Kranzwasserschöpfer. Ein gewisser Zynismus der Natur war hierbei, dass zu diesem Zeitpunkt, zum ersten Mal während unserer gesamten Reise, einige an die Oberfläche aufschwimmende fädrige Cyanobakterien zu beobachten waren.
Zurück zum Decksgeschehen, hier und jetzt: Die Container füllen sich, die Labore leeren sich, wie immer können wir uns auf Unterstützung durch die Mannschaft verlassen. Vielleicht eine gute Gelegenheit, den Wochenbericht auch zu nutzen, allen Mitgliedern der Besatzung von FS METEOR für die kompetente und dabei stets freundliche Unterstützung zu danken. Ohne diese Unterstützung könnten wir nicht arbeiten.
Wenn auch die Natur sich von einer etwas anderen Seite zeigte als erwartet, so blicken wir doch auf eine sehr erfolgreiche Ausfahrt zurück, die insbesondere unser Verständnis der Bedeutung physikalischer Prozesse für die Entwicklung der Cyanobakterien in der Ostsee viele Erkenntnisse gebracht hat. Und, immer im Auge behaltend, dass ein Fahrtleiter nicht alles an Bord mitbekommt - was auch gut so ist – hat es den Anschein, als ob die Fahrtteilnehmer fast ausnahmslos zufrieden und froh sind, bei dieser Expedition dabei gewesen zu sein; auch wenn dies ebenso für den Umstand gilt, in nunmehr etwa 12 Stunden wieder den Fuß an Land setzen zu können.
Vorbehaltlich der Ereignisse der nächsten zwölf Stunden werden wir alle wohlauf und bester Gesundheit in Rostock einlaufen.
Ein letztes Mal mit Grüßen von Bord,
Prof. Dr. Gregor Rehder
Fahrtleiter M87/4