FS Meteor - Meteor 87/4
3. Wochenbericht (09.07.-15.07.2012)
Sonntag, 15. Juli
58° 35,0N, 18° 14E (TF 0284)
Ziel dieser zentralen Woche des 2-Schiff Experimentes war es, den zeitlichen Verlauf der cyanobakteriellen Sommerblüte zu erfassen. In diesem Zeitraum verblieb FS Meteor quasi stationär auf der Position der TF 0271 (57° 19,2N, 20° 03E), wobei wir uns insbesondere wegen der mit leichter Vorausfahrt erfolgenden Mikrostrukturmessungen einen Kreis von 0,5 nm als „Aktionsradius“ zugestanden, während die Elisabeth Mann Borgese um diese Position entlang einiger Gitternetze hochauflösend die vertikale Struktur der Wassersäule erfassen sollte. Dieser Ansatz dient insbesondere der Beantwortung der Frage, inwieweit kleinskalige Mischungsprozesse den Transport von Nährstoffen zwischen Deckschicht und dem nitratfreien, aber phosphathaltigen Winterwasser ermöglichen. An Bord der Meteor wurden in dieser Zeit, neben der kleinskaligen Turbulenz an unserer Position, in möglichst hoher vertikaler Auflösung die Gradienten der anorganischen und organischen Nährstoffe sowie des Kohlenstoffsystems bestimmt. Ebenso wurde die langzeitliche Entwicklung der cyanobakteriellen und zooplanktischen Gemeinschaften mit verfolgt, sowie der Kohlenstoffumsatz- und die Stickstofffixierungsraten. Daneben wurde an ausgewählten Tagen der Tagesgang dieser Parameter bestimmt (stets Tage mit einer extremen Belastung für alle involvierten Mitglieder des wissenschaftlichen Teams), sowie die optischen Eigenschaften des Wassers und damit der vertikal aufgelösten Energieverfügbarkeit ermittelt. In diesem ungewöhnlichen Modus der Schiffsoperation als „stationäres schwimmendes Großlabor“ wich der Stationsplan einem Stundenplan, bei dem nach aller Möglichkeit jede zweite Stunde der Mikrostrukturmessung gewidmet war. Dank der großen Disziplin beim Geräteeinsatz gelang dieses sehr gut, und die Abfolge der geraden und ungraden Stunden verlieh der Betriebsamkeit einen gewissen Rhythmus.
Nicht erwartet hatten wir für diese Expedition allerdings, dass unsere Forschungsarbeit so stark durch den ungewöhnlichen Sommer dieses Jahres bestimmt werden würde. Wassertemperaturen knapp unterhalb von 16°C sind immer noch am Rande der Toleranz der Ostsee-Stickstofffixierer, und die Ausbildung einer stabilen oberen Deckschicht wurde durch das ständige Wechselspiel von Phasen mit mittlerer (3-4 Bft) und hoher Windgeschwindigkeiten gehindert. Länger anhaltende Episoden mit Böen bis zu 8 Bft erreichten uns am 10., 13. und 15 Juli, was zu einer Verstärkung der Mächtigkeit der durchmischten Schicht auf etwa 18 m führte.
Im Grunde ist die Situation eine Fortführung des schon im Frühsommer beobachteten Trends. Schon einige Wochen vor Abfahrt hatten uns die ungewöhnlich niedrigen mittleren Oberflächenwassertemperaturen, teilweise um drei °C niedriger als im Vorjahr, Kopfzerbrechen bereitet. So werden die Ergebnisse dieser Woche an der TF271 vor allem Erkenntnisse darüber liefern, wie physikalische Prozesse der Weiterentwicklung einer cyanobakteriellen Blüte entgegenwirken können - Erkenntnisgewinn unter anderen Voraussetzungen als erwartet, aber dennoch nicht weniger wertvoll.
Kaum von diesen externen Gegebenheiten beeinflusst hat ein anderes wissenschaftliches Großprojekt das Bord- – und insbesondere das Laborleben mitbestimmt. Die insgesamt zwölf am 4. Juli angesetzten Inkubationsexperimente zur Entwicklung und Funktion der Cyanobakterien und weiterer bakterieller Organismen in Abhängigkeit von Phosphatgehalt und CO2-Partialdruck wurden am 15. Juli plangemäß beendet. Alle zwei Tage erfolgten Messungen der Nährstoffparameter, des Kohlenstoffsystems, der Respirations- und Stickstofffixierungsraten; dazu Messungen der Phosphatase-Enzymaktivität. Dabei zeigten sich in den pCO2- und PO43--reichen Ansätzen die höchsten Produktionsraten. Im „natürlichen“-Ansatz hingegen überstieg die Respiration eindeutig die Produktion, mit nachweisbarer Bildung von Nitrat und einer Zunahme des CO2-Partialdrucks. In keinem der Experimente schien der Phospatmangel so hoch, dass vermehrt Enzyme zur Spaltung organischer Phosphorverbindungen gebildet wurden. Ein mit Spannung erwartetes Ergebnis kann aber erst an Land nachgereicht werden – ob die veränderten Randbedingungen Einfluss auf die Bildung von Toxinen haben könnten.
Nachdem wir uns am Ende des 14. Juli, ganz in der französischen Tradition dieses Datums, die „Freiheit“ genommen haben, unsere Dauerstation noch einmal in Richtung der nordwestlichen Gotlandsee (TF 284) zu verlassen, befinden wir uns nun wieder in Gewässern mit einer deutlich höheren Dichte an Cyanobakterien.
Mit Grüßen von Bord im Namen aller Fahrtteilnehmer,
Prof. Dr. Gregor Rehder
Fahrtleiter M87/4