FS Merian - MSM46
Halifax, Kanada – St. John's, Kanada
3. Wochenbericht (07.09.-13.09.2015)
Die dritte Woche der Reise 46 der Maria S. Merian stand im Zeichen küstengeologischer Probennahmen zwischen Neufundland und der Hudson-Strait und der Verankerung des Seacycler-Systems in der offenen Labradorsee (Abb.1). Entsprechend groß waren auch die Dampfstrecken, zumal wegen des Sturmes in der ersten Wochenhälfte der ursprüngliche Verankerungstermin verschoben werden musste und die Verankerungsposition von einer weiter nördlich gelegenen Station angelaufen wurde.
Zuvor wurden jedoch intensive Parasound- und Multibeamkartierungen im nordöstlichen Teil des Lake Melville, einem sehr ausgedehnten Fjordsystem, durchgeführt. Trotz seiner Größe ist der Fjord brackisch, da auch noch in dieser Jahreszeit ein Einstrom von Süsswasser stattfindet, der sich in einer stark ausgesüssten Oberflächenschicht dokumentiert (Abb.2). Hier sieht man auch die intensive Zufuhr von Gelbstoffkomponenten (CDOM) durch die Zuflüsse aus der Tundra. Es finden sich hier höhere spektrale Gelbstoffabsorptionen als in der nördlichen Ostsee. Sie haben das Wasser gelbbraun gefärbt, die Secchitiefe auf 3.5 m und die euphote Tiefe auf unter 10 m reduziert. Die hoch aufgelösten vertikalen Messungen mit dem AC-S kombinieren die Absorptions- und Streueigenschaften des gelösten und suspendierten Materials und liefern dadurch noch höhere vertikale Unterschiede. Sowohl die Quellenstärke wie auch das Schicksal dieser Kohlenstoffkomponenten sind im globalen Kohlenstoffkreislauf noch relativ wenig gesicherte Größen.
Das Sauerstoffdefizit (AOU) im Tiefenwasser bleibt hier mit unter 1 ml O2 l-1 sehr moderat gegenüber den Werten im inneren St. Lawrence (6 ml O2 l-1), was für bessere Belüftung und eringere pelagische Abbauraten spricht. Bei beidem kann die sehr niedrige Temperatur von ~-1 °C des Hauptwasserkörpers eine Rolle spielen, was auch wieder einen direkten Vergleich den Bedingungen mit dem nördlichsten Ostseebecken erlaubt. Die organischen Gehalte der schwach bioturbierten Sedimente sind dabei höher als auf dem Schelf, was sich durch schwarze sulfidische Einlagerungen bis in größere Sedimenttiefen zeigt (Abb.3). Eine solche Bildung von noch nicht oxidierten Sulfiden in größeren Kerntiefen ist ungewöhnlich. Ob dieses auch mit der niedrigen Temperatur oder der Abbaubarkeit des eingelagerten organischen Materials und dessen Quellen (terrigenes POM/DOM oder authigen pelagische gebildetes ) zu tun hat, ist noch zu untersuchen.
Es wurden im Lake Melville zwei Kerne MSM46-13 (14 m Länge) und MSM46-12 (12 m Länge) gewonnen, die jeweils das gesamte Holozän (10 m) durchteuften. Nach diesem Standort wurde der Saglek-Fjord bei 58.5 °N angelaufen, da Wind- und Wellenbedingungen die Verankerung des SeaCyler-Systems noch nicht erlaubten. Nach kurzer seismoakustischer Profilierung erfolgte die Sedimentbeprobung der Station MSM46-14 mit dem multi-corer, Frahmlot und Schwerelot (Kerngewinn 14,5 m). An der Sedimentoberfläche traten eine Vielzahl von Mollusken und Polychaeten auf, welche die tonigen Schluffe kräftig durchwühlen. Auch die bis zu 9 cm große Assel Saduria entomon, die in der nördlichen Ostsee als Eiszeitrelikt auftritt kommt auch hier in so großen Mengen vor, dass sie in mehreren Multicorer-Kernen gefangen wurde. Durch ihre Größe und Aktivität trägt sie erheblich zur Durchmischung der oberen Sedimentschichten bei. Die relativ starke Bioturbation der Sedimente ist auch an den multi-corer Halbschalen sichtbar. Im unteren Bereichen des Schwerelotes, welcher nicht an Bord geöffnet wurde, trat Gas auf. In diesem organikreichen Fjord ist auch das Sauerstoffdefizit im Tiefenwasser als Produkt von Zehrung und Verweildauer mit 3,5 ml O2 l-1 erheblich größer als im Lake Melville, obwohl die Temperaturen im Hauptwasserkörper bei minus 1,7°C lagen. Hier scheint primär der organische Eintrag die Prozesse in Wassersäule und Sediment zu dominieren.
Im Anschluss an diese Probennahme nutzte die „Merian“ die endlich eingetretene Wetterberuhigung in der Labradorsee aus, um zum Verankerungsort des Seacyclers zu dampfen. Das System dessen Einsatz von einem Konsortium kanadischer und deutscher Institutionen initiiert wurde, besteht aus einem in ca. 3,5 km Wassertiefe verankerten Draht, der mit mehreren festen Sensorpaketen in tieferen Schichten bestückt ist. Ungefähr 200 m unter der Wasseroberfläche ist eine Winde befestigt, die über ein Jahr in kurzen Zeitabständen ein mit diversen Sensoren bestücktes Floss durch die durchmischte Oberflächenschicht bis zur Wasseroberfläche fährt und dann die insgesamt im System gewonnenen Daten über eine Satellitenverbindung an die Landzentrale übermittelt (Abb.4). Die Sensoren erlauben ein kontinuierliches Monitoring von physikalischen (T, S, Strömung, Licht), chemischen (CO2, O2, Nitrat) und biologischen (Chl.a) Variablen in der Deckschicht und damit auch der Exportbilanz wichtiger Komponenten des Kohlenstoffkreislaufes in der Labradorsee.
Die Auslegung der ebenso schweren wie empfindlichen Komponenten der Verankerung fand am Freitag über 9 Stunden unter Mithilfe fast der gesamten wissenschaftlichen Besatzung statt, der Ankerstein wurde um 19.00 h geslippt. Das Einmessen der Auslöserposition ergab das Absetzen auf der gewünschten Position und daraufhin liefen wir zum nächsten Untersuchungsgebiet in der Hudson Strait ab. Die erste Satelliten-Kommunikation mit dem Seacycler am nächsten Morgen zeigte allerdings, dass das Sensorfloß mit dem Kommunikationsteil oberhalb der Winde abgerissen und auf Drift gegangen war. Nach Rücksprache mit der Leitstelle wurde deshalb entschieden, noch einmal zur Verankerungsstelle zurückzukehren und dieses wichtige Teil des Systems aufzunehmen, das seine Position über GPS übermittelt. Direkt nach einer Positionsübermittlung am späten Abend konnten die beiden Geräte am gefunden und geborgen werden. Die dann erwünschte Ablösung nur des Windenteils von der Verankerung kam auf Grund einer Fehlfunktion des oberen Auslösers nicht zustande. Daraufhin wurde nach Rücksprache mit der koordinierenden Stelle in Halifax beschlossen, die gesamte Verankerung wieder aufzunehmen. Dieses erfolgte in der Nacht völlig ohne Probleme und am frühen Morgen setzte die „M.S.Merian“ ihre Reise fort. An dieser Stelle muss ganz besonders auf die ruhigen und professionellen Arbeitsabläufe auf Brücke und Deck hingewiesen werden, die selbst unter ungünstigsten Bedingungen eine solch anspruchsvolle Aufgabe in kürzester Zeit ermöglichen.
Seit Sonntag früh ist das Schiff wieder auf dem Weg in die küstennahen Regionen des kanadischen Schelfes , um zuerst in der Hudson Strait Topographie und sedimentäre Echostreuschichten in einem bisher recht wenig untersuchten Gebiet zu kartieren.
Auch in dieser Woche freuten wir uns über den inzwischen zur Routine gewordenen reibungslosen nautischen und technischen Betrieb an Bord der Maria S. Merian. So grüßen wir weiterhin fröhlich und unverzagt aus der arktischen Labradorsee, wobei die doch recht kühle Umgebung durch die beeindruckende Sichtung von Eisbergen und Polarlichtern (Abb. 5) durchaus wettgemacht wird.
Dr. Falk Pollehne
13.09.2015