FS Meteor - Meteor 87/3b
1. Wochenbericht (12.06.-17.06.2012)
Im zweiten Fahrtabschnitt der Meteor-Reise M87-3 (M87-3b) werden die experimentellen Untersuchungen und Probenahmen im Rahmen des Projektes „Abbaubarkeit von Arktischem Terrigenem Kohlenstoff im Meer (ATKiM)“ fortgesetzt, wobei jetzt der Einfluss der vertikalen Gradienten von Salz und Sauerstoff in den Becken der zentralen Ostsee im Fokus steht. Ein Teil der wissenschaftlichen Besatzung des Abschnitts M87-3a ist mit ihrer Ausrüstung, den Proben und den auf der Meteor begonnenen Inkubationsexperimenten in Rostock von Bord gegangen, um die Experimente in den Klimakammern im IOW fortzusetzen. In den nächsten Wochen wird sich zeigen, welchen Einfluss sowohl die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaften (entnommen aus unterschiedlichen Stationen entlang des Salzgradienten) als auch abiotische Faktoren wie UVStrahlung auf den Abbau des in die Ostsee eingetragenen gelösten organischen Kohlenstoffs (DOC) haben.
Hinzugekommen sind Wissenschaftler aus den Fachbereichen Physikalische Ozeanographie, Geologie und marine Mikrobiologie, um intensive Struktur- und Prozessuntersuchungen in Wassersäule und Sediment in den tiefen, am Grunde anoxischen Becken der zentralen Ostsee durchzuführen. Mehrtägige Stationsarbeiten im Gotland- und Landsortbecken, um die beiden zentralen Stationen TF271 und TF284, waren daher das Kernstück dieser Reise (Abb. 1).
Da vor einiger Zeit ein größerer Salzwassereinstrom bis in die zentrale Ostsee reichte, wurden auch an mehrere Stationen zwischen Bornholm- und Gotlandbecken CTD-Profile gefahren (in Ergänzung zu den bereits in M87-3a beprobten Stationen).
In früheren Untersuchungen hatte sich gezeigt, dass die oxisch-anoxischen Übergangszonen in der Ostsee, mit ihren Lebensgemeinschaften, mikrobiellen Schlüsselorganismen und biogeochemischen Umsetzungen auch als Modell für die Vorgänge in den global verbreiteten hypoxischen Zonen der Rand- und Küstenmeere (incl. „Oxygen Minimum Zones“) dienen können. Bisher wenig verstanden ist, inwieweit physikalische Prozesse wie kleinskalige Durchmischungen und Intrusionen die mikrobielle Aktivität und resultierende Stoffumsetzungen beeinflussen. Kernhypothese dieser Fahrt ist, dass alle Prozesse, welche im Bereich der Redoxkline zu Durchmischungen und damit zur Störung des Diffusionsgradienten führen, die mikrobielle Aktivität stimulieren. Dies sollte wichtige Konsequenzen für alle dort stattfindenen biogeochemischen Umsetzungen haben, nicht nur für den Abbau des absinkenden organischen Materials, sondern vor allem auch für Oxidations-Reduktions-Prozesse im Stickstoff- und Schwefelkreislauf.
Das Gotlandbecken sollte eigentlich der ideale Ort sein, um diese Hypothese zu testen, da hier in der Vergangenheit regelmäßig Intrusionen zu beobachten waren. Verschiedene Geräte und Methoden waren an Bord, um die Strukturen in der Wassersäule und auftretende Turbulenzen zu analysieren: neben den CTDs sind das v.a. die Mikrostruktursonde oder Turbulenzprofiler und der geschleppte Scanfish. Daneben sollte eine für mehrere Tage jeweils im Hangbereich von Gotland- und Landsortbecken ausgesetzte Verankerung ein hoch aufgelöstes Bild der vertikalen Geschwindigkeits-, Temperatur- und Dichteverteilung sowie deren zeitlicher Variabilität liefern und damit helfen, die physikalischen Ursachen für die beobachteten Mischungsereignisse zu erklären. Für die biologischen Messungen wurden mit einer kleinen CTD hochauflösende Profile (im Meterbereich) von chemischen und mikrobiologischen Parametern in der Redoxkline und um Intrusionen herum aufgenommen. Außerdem sollte ein im IOW entwickelter Gradientenschöpfer, mit dem im Abstand von 10 cm mittels Spritzen Proben genommen werden können, das erste Mal seit langer Zeit wieder eingesetzt werden. Mit dieser Probenahmetechnik könnte die kleinskalige Variation mikrobiologischer Parameter im Bereich der Redoxkline, und damit auch der Einfluss von kleinräumigen Durchmischungen detektiert werden (Abb. 2).
Das ruhige Wetter der letzten Tage war zwar ideal, um hochauflösend die Redoxkline zu beproben, allerdings hatte das auch zur Folge, dass diesmal nur wenige Intrusionen im Landsorttief zu beobachten waren. Als Entschädigung dafür trafen wir an einer Station im südlichen Gotlandbecken (TF260) eine ideale Bedingung an, um unsere Ausgangshypothese zu testen: Ein deutlicher, bodennaher Einstrom brachte sauerstoff- und nitrathaltiges Wasser in die Nähe der oxisch-anoxischen Grenzschicht und der sulfidischen Zone (Abb. 3). Kleinskalige Turbulenzen und Durchmischung von nitrat- und sulfidhaltigem Wasser sollten hier zu einer enormen Stimulation der mikrobiellen Aktivität führen. Die bisher ausgewerteten Daten an chemoautotropher und heterotropher Produktion scheinen dies auch tatsächlich zu bestätigen. Viele Proben für Aktivitätsmessungen aber auch aufwendigere molekulare Analysen füllen jedoch noch die Gefrierschränke und werden uns noch eine Weile beschäftigen.
Schlüsselinstrument zur Analyse der turbulenten Vermischung im Bereich der Redoxkline war der MSS90-L Turbulenzprofiler, der im Gotlandbecken auf zwei Hangtransekten im oxisch-anoxischen Übergangsbereich, sowie auf zwei Zeitreihenstationen an den Positionen TF271 und TF260 eingesetzt wurde. Die von Einstrom-Intrusionen gekennzeichnete Station TF260 (Abb. 3) war dabei besonders interessant. Eine erste Auswertung der MSS-Profilerdaten für beide Stationen hat gezeigt, dass die Mischung im Bereich der Redoxkline von kurzen Events geprägt ist, deren maximale vertikale Ausdehnung wenige Meter beträgt und die selten länger als 15 Minuten andauern. Diese Events scheinen nicht in direktem Zusammenhang mit den oben beschriebenen Intrusionen zu stehen, führen aber dennoch zu einer intermittierenden Vermischung von Wassermassen mit unterschiedlichem Redox-Eigenschaften. Am Beispiel eines kurzen Ausschnitts der Zeitreihe der Station 260 ist dies in Abb. 4 illustriert. Unterhalb von ca. 80 m sind die Sauerstoffgehalte (hier nicht dargestellt) von lateralen Einschüben gekennzeichnet, die teils zu extremen Gradienten zwischen oxischen und anoxischen Wassermassen führen. Die anoxischen Schichten sind in der Regel von starker Trübung gekennzeichnet. Die ebenfalls in Abb. 4 dargestellte Dissipationsrate, die ein physikalisch definiertes Maß für die Turbulenz darstellt, illustriert die oben beschriebene starke Intermittenz innerhalb und unterhalb der Halokoline in Form von Mischungsevents, in denen um mehrere Größenordnungen erhöhte Dissipationswerte beobachtet werden. Ein erster Blick auf die Daten der Verankerung im Gotlandbecken, welche bereits wieder geborgen wurde, zeigt, dass die Signatur interner Wellen den dominierenden Beitrag zum Geschwindigkeitsfeld liefert, was Scherungs-Instabilitäten als die wahrscheinlichste Ursache für die beobachteten Mischungsevents nahelegt. Diese Untersuchungen werden im weiteren Verlauf der Fahrt auf das Landsort-Tief ausgeweitet.
Insgesamt werden die hier beschriebenen Untersuchungen zu einem besseren Verständnis der physikalisch-biologischen Kopplung im Bereich der Sauerstoffgradienten führen. Gleichzeitig führen die sedimentakustischen Untersuchungen (Multibeam, Parasound), die während M87-3b intensiv durchgeführt werden, zu einem genaueren Bild der Struktur und Sedimentologie der Becken.
Die oxisch-anoxischen Übergänge werden nicht nur für die mikrobiellen Gemeinschaften der Wassersäule untersucht, sondern auch für die Sedimente. Hierzu werden mittels Multicorer Proben genommen und hinsichtlich biogeochemischer Charakteristika und mikrobieller Besiedlung untersucht. Ein Hauptaugenmerk werden dabei mikrobielle Eukaryonten (Protisten) sein, über deren Verbreitung und Diversität in der Ostsee bisher kaum etwas bekannt ist.
Die erste Woche auf der FS METEOR hat bereits unglaublich viele neue Proben und Daten zur Hydrographie, Physik und Biologie der anoxischen Becken gebracht, dass wir höchst zufrieden sind und der verbleibenden Woche mit Erwartung entgegensehen. Ein ähnliches Programm wie im Gotlandbecken wird dann noch für das Landsortbecken absolviert werden. Der umfangreiche und auch zum Teil kurzfristig zu entscheidende Geräteeinsatz, wie er in den letzten Tagen absolviert wurde, wäre ohne die kompetente Hilfe und das Verständnis der Meteor-Besatzung auf Deck und Brücke nicht denkbar, denen an dieser Stelle herzlich gedankt sei.
Prof. Dr. Klaus Jürgens
Fahrtleiter