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Flusseinträge unter globalem Wandel –
Erforschung des Schicksals der Amazonas Flussfahne

13.05.2021 – Auf der Jagd nach Phytoplankton

Nachdem ihr im letzten Eintrag erfahren habt, wie wir mit Hilfe von Satellitenbildern unsere täglichen Stationen auswählen, ist es nun an der Zeit für detailliertere Einblicke in unsere tägliche Arbeit an Bord des F/S Meteor.

Ich habe mich erfolgreich aus dem "Schlauchdschungel" (gemeint ist meine Filteranlage für Meerwasser - mehr dazu weiter unten) herausgekämpft, um euch mein Forschungsprojekt zu erklären. Meine tägliche Arbeit besteht darin, Flaschen von der CTD abzufüllen, Nährstoffe hinzuzufügen, diese Flaschen für ein paar Stunden in kontinuierlich kühlendem Meerwasser zu inkubieren und dann die Partikel aus dem Wasser zu filtern. Das Leben an Bord fordert mich, da ich von überlaufendem Wasser Inkubatoren durchnässt werde, wenn ich meine Proben hineinlege und auch wenn ich gegen Pumpenschläuche kämpfe, die sich meine störrischen Haare zum Vorbild zu nehmen scheinen und sich im Laufe des Tages immer mehr verheddern, anstatt gut ausgerichtet zu bleiben (s. Foto). Auch den Wettlauf gegen die Zeit muss ich täglich antreten, da oft alle Experimente gleichzeitig zu enden scheinen, obwohl ich es anders geplant hatte. Die Arbeit auf See erfordert also eine Menge Flexibilität, aber so stressig sie auch sein kann - sie macht auch wahnsinnig viel Spaß und aus unseren Laboren schallt Gelächter,  was vielleicht auch mit der Kombination aus 80er-Jahre-Musik und viel (viel!) Koffein zu tun hat ;-)...Wie auch immer, zurück zum Thema!

Wir werden jetzt aus dem Weltraum in die obere Schicht des Ozeans zoomen - die Heimat des marinen Phytoplanktons. Wie ihr vielleicht noch aus unserem ersten Eintrag wisst, sind Phytoplankton Organismen mikroskopisch kleine Algen, die zur Photosynthese (der Umwandlung von Sonnenlicht in Energie und Kohlenhydrate) fähig sind. Aber natürlich sind nicht alle Phytoplanktonarten gleich, es gibt eine enorme Vielfalt an Arten mit unterschiedlichsten Anpassungen. Die meisten von ihnen, wie z. B. Kieselalgen und Panzerflagellaten, sind auf Nitrat, Ammonium oder gelösten organischen Stickstoff im umgebenden Wasser als Nährstoffquelle angewiesen. Im Gegensatz dazu stellen Stickstofffixierer (sogenannte Diazotrophe, z.B. die Art namens Trichodesmium) dem Rest der Phytoplanktongemeinschaft neuen Stickstoff zur Verfügung. Diazotrophe sind unabhängig von anderen Stickstoffquellen im Wasser, da sie ihren Stickstoff aus der Atmosphäre (N2) fixieren können. Allerdings benötigen alle winzigen Algen für ihre Photosynthese auch Sonnenlicht und sind daher auf die obere, sonnenbeschienene - nur etwa 100m dicke - Schicht des Ozeans beschränkt - die so genannte euphotische Zone.

In der Amazonas-Flussfahne sind die Bedingungen für das Phytoplankton sehr schwierig. Das Flusswasser hat einen geringeren Salzgehalt als das Ozeanwasser, ist also leichter (das ist jetzt Physik, wir wollen hier mal nicht zu sehr ins Detail gehen ;-)). Dieses Süßwasser schwimmt auf dem Ozeanwasser und vermischt sich nur sehr langsam mit diesem. Daher kann das Phytoplankton entweder im Flusswasser gefangen werden oder es bleibt darunter, wo es in seinem Wachstum durch geringe Lichtverfügbarkeit beschränkt ist (ihr erinnert euch, die Trübung hilft uns, die Flussfahne zu verfolgen). Auch die Nährstoffe können aus tieferen Wasserschichten das salzarme Flusswasser nicht erreichen und die Algen sind möglicherweise auch durch Stickstoff- und Phosphatmangel begrenzt. In der Nähe der Flussmündung ist diese Limitation nicht so stark wie weiter nördlich, wo die Nährstoffe immer knapper werden.

Nährstoffarme Bedingungen begünstigen aber auch spezialisierte Phytoplanktonorganismen, die DDAs (Diatom-Diazotroph-Assoziationen). Sie leben vor allem im nördlichen Bereich der und am östlichen Rand der Amazonas Fussfahne, in der Karibik, wo die Trübung erhöht und der Salzgehalt immernoch erniedrigt ist gegenüber dem blauen Ozean. DDAs sind wunderschöne Kieselalgen, sie haben tolle Schalen aus Silikat und sie leben in Symbiose mit stickstofffixierenden (diazotrophen) Symbionten. Alle Diatomeen benötigen Silikat, das die Flussfahne bis in diese Breiten getragen hat. Darüber hinaus liefert der stickstofffixierende Symbiont Ammonium für ihr Wachstum. Damit sind DDAs klar im Vorteil gegenüber anderen Arten. Die meisten anderen Phytoplankter können in diesen Gewässern wegen Mangel an Stickstoff nicht leben. Eine Symbiose ist also auch für diese kleinen Lebewesen eine gute Sache.

Aufgrund der sich kontinuierlich verändernden Nährstoffkonzentrationen und Lichtlimitierung formt die Amazonas-Fahne über 1000de Kilometer also unterschiedliche Phytoplankton-Gemeinschaften. Die werden zuerst durch Licht, dann durch Nitrat im Wachstum gehemmt, und am Ende dominieren die Stickstoff-Fixierer, wie fast überall im nährstoffarmen Ozean. Diese spannende Veränderung in den Gemeinschaften möchte ich im Rahmen meiner Doktorarbeit verstehen.

Hinzu kommt jetzt ein weiterer Aspekt, der vielleicht nur für die Spezialisten unter euch interessant ist, den ich aber trotzdem mitteilen möchte. Abhängig von der Stickstoffquelle, die das Phytoplankton nutzt, kann man die Primärproduktion als „neue“ oder „regenerierte“ Produktion bezeichnen. Die „neue Produktion“ wird durch Stickstofffixierer gespeist, die gasförmiges N2 aus der Atmosphäre nutzen, oder durch die Aufnahme von Nitrat, das aus Quellen wie Flüssen oder dem Auftrieb stammt und in die lichtdurchflutete Zone gelangt. Die „regenerierte Produktion“ basiert auf der Aufnahme von remineralisierter Biomasse innerhalb der euphotischen Zone. Ich messe das Wachstum des Phytoplanktons in der Amazonas-Flussfahne auf der Basis dieser beiden Nährstoffquellen, Nitrat und Ammonium. Das hat bisher noch niemand gemacht! Außerdem hat noch niemand die Produktivität der Amazonas-Region im Detail verstanden, und es ist an der Zeit, dies mit meinen Inkubationen gründlicher zu tun.

Ich messe also die Aufnahmeraten von Nitrat, Ammonium und Aminosäuren (eine Verbindung der vielen gelösten organischen Stickstoffverbindungen, DON). Dazu verwende ich mit 15N markierten Stickstoff (das schwere Isotop des Stickstoffs, wie ihr aus Blogeintrag 2 bereits wisst) und 13C, damit ich auch die Photosynthese mit erfasse.

In einem ersten Schritt wird Wasser aus verschiedenen Tiefen aus der CTD-Rosette in Flaschen abgefüllt. Dieses Wasser wird dann mit 15N und 13C angereichert (wir nennen das "spiking with a tracer") und für 2 bis 4 Stunden inkubiert (s. Foto). Um die Lichtintensität in der Tiefe, aus der die Probe entnommen wurde, zu simulieren, packen wir unsere Flaschen in Beutel mit verschiedener Lichtdurchlässigkeit, die der jeweiligen Lichtintensität entsprechen, aus der die Probe stammt. Die Flaschen werden dann in Inkubatoren an Deck gelegt. Um eine Erwärmung der Proben durch die Sonneneinstrahlung zu vermeiden, werden die Inkubatoren kontinuierlich mit Oberflächen-Meerwasser durchspült. Währendessen nimmt das Phytoplankton im Wasser den zugesetzten 15N-Stickstoff und 13C-Kohlenstoff auf. Auf diese Weise werden die Tracer in die Körper der kleinen Algen eingebaut. Nach der Inkubation wird das Phytoplankton durch lange Schläuche geschickt und auf Filtern gesammelt. Die Filter können später im Labor mit einem Massenspektrometer analysiert werden.

Zurück zu Hause in Warnemünde werde ich feststellen, wie viele Nährstoffe aufgenommen wurden. Mit dem Massenspektrometer analysieren wir die schweren und die leichten Isotope im Phytoplankton. Aus den Daten kann ich berechnen, wie viel 15N und 13C im Plankton vorlag und tadaa, da sind meine Aufnahmeraten!

Jetzt werde ich weiter Proben nehmen und filtern und hoffen, dass ich mich nicht in den ganzen Schläuchen verheddere - wenn ich in zwei Monaten noch nicht wiederaufgetaucht bin, habt ihr jetzt eine Idee, wo ihr nach mir suchen könnt…

Bis bald!

Text von Umbricht J., Voss M. (IOW) | Fotos zum Vergrößern anklicken

Expedition: M174
Mission: MeNARP
Start: 12.04.2021 - Las Palmas
Ziel: 31.05.2021 - Emden

 

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