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FS Merian - MSM46

Halifax, Kanada – St. John's, Kanada

1. Wochenbericht (25.08.-30.08.2015)

Merian MSM46

Nach einem Wochenende voller erfolgreicher repräsentativer Ereignisse um die Maria S. Merian als Übergang zwischen den Reisen 45 und 46 in Halifax , (open ship für alle Besucher und Empfang an Bord von Persönlichkeiten aus Politik und Wissenschaft) begann am Montag wieder der Bordalltag mit dem Entladen/ Verstauen der Container und dem Ausrüsten der Labors. Am Dienstag wurden die Leinen für die Reise MSM46 losgeworfen und die erste Station am Ausgang des Golfs von St. Lawrence angelaufen.

Unsere Expedition MSM46 (Response of (C)oastal (E)cosystems to biogeochemical and hydrographic changes in eastern (CA)nadian (S)eas during Holocene and Anthropocene - CECAS) in die östlichen kanadischen Küstengewässer soll einerseits das Systemverständnis küstennaher Ökosysteme verbessern und andererseits Antriebe für deren Veränderungen aufzeigen. Untersuchungen rezenter und subrezenter Prozesse konzentrieren sich auf i) biogeochemische und mikrobiologische Prozesse an pelagischen Gradienten im Golf von St. Lawrence und im Unteren St. Lawrence Ästuar, ii) jährliche Flussraten partikulären Materials, iii) bio-optische Messungen zur Unterscheidung von Wassermassen und zur Verbesserung der Satellitendatenauswertung, iv) die anthropogene Belastung. Die Sedimentfolgen der kanadischen Randmeere und Fjorde ermöglichen eine hochauflösende (multi-dekadische) Rekonstruktion vergangener Ökosystemveränderungen und eine Abschätzung des Einflusses der Ozeanzirkulation (Labradorstrom). Die Untersuchungen finden skalenübergreifend statt, wobei Chemiker, Biologen und Physiker die rezente Situation aufnehmen und die Geologen nach Belegen für sich darauf beziehende ökosystemare Abläufe in der sedimentären Abfolge sucht.

Abb. 1: Untersuchungsgebiet der ersten Expeditionswoche (rot gerahmt)

Im Verlauf der ersten Arbeitswoche wurden die rezenten Bedingungen in Wassersäule und Sediment des St. Lawrence Stroms zwischen Nova Scotia und Rimouski gemeinsam untersucht. Verteilung von natürlichen und synthetischen Verbindungen im Wasser, von Bakterienpopulationen, benthischen Organismen und natürlich der Wassermassen wurden auf einem Transekt (Abb.1) mit 7 Stationen und kontinuierlichen Messungen auf dem Transit zwischen diesen aufgenommen.

Die mikrobiologischen Studien untersuchen die Anpassung an die Salzgehaltsunterschiede vom Golf von St. Lawrence bis zum Unteren St. Lawrence Ästuar und beinhalten in-situ Biodiversität und Aktivität größenfraktionierter mikrobieller Gemeinschaften entlang dieses Gradienten. Hierzu wurden sowohl Proben zur späteren molekularbiologischen Analyse gewonnen, wie auch Mischungs-Experimente in 100 l Mesokosmen im Labor durchgeführt. Die Probennahme in verschiedenen Wassertiefen der Stationen sowie das Ansetzen der Experimente konnten ohne Probleme durchgeführt werden. Die benthologischen Untersuchungen betreffen die Langzeitanpassung der Makrofauna an Sauerstoffminimum-Bedingungen. Generell fördert kurzfristiger und saisonaler Sauerstoffmangel, wie er z.B. in der Ostsee gefunden wird, benthische Organismen mit opportunistischer Lebensstrategie, kürzerer Lebensdauer, kleinerer Körpergröße und schnellem Kolonisationsverhalten.

Abb. 2: Zunahme des Sauerstoffdefizits im Wasserkörper auf den Stationen inneres Ästuar (1-5)

Über lange Zeiträume bestehender Sauerstoffmangel wie im St-Lawrence – System führt dagegen eher zu hoch spezialisierten Gemeinschaften mit angepassten Arten und dem Auftreten von Symbiosen. Daher wurde die Makrozoobenthosgemeinschaft entlang des Sauerstoffgradienten erfolgreich mit dem Kastengreifer beprobt, um vergleichende Aussagen über Zusammensetzung und funktionelle Diversität zu anderen Gradientensystemen, wie Namibia und Ostsee, zu ermöglichen. Es wurde eine diverse benthische Gemeinschaft unterschiedlichster Taxa vorgefunden, die sich im Sauerstoffgradienten in Menge und Zusammensetzung verändert. Abb.2 zeigt die räumliche Entwicklung des Sauerstoffdefizits (AOU) zwischen äußerem und innerem Ästuar aus den Meßdaten der CTD-O2-Sensoren.Zwischen den Stationen wurde auf dem Transekt kontinuierlich Wasser aus dem Reinstwassersystem zur Analyse von organischen Schadstoffen (PCB, PAK, polare Pestizide) entnommen. Diese gelösten und partikulären organischen Schadstoffe wurden auf ausgewählten Stationen auch in der Wassersäule mit in-situ Pumpen beprobt. Aus diskreten Schöpfern wurden zusätzlich Proben zur Bestimmung von Pharmazeutika, Lignin und Carbonsäuren genommen.

Bio-optische Messungen erfolgten ebenfalls erfolgreich auf allen Stationen. Optisch aktive Wasserinhaltsstoffe dienen zur Validation von Satellitendaten und die Strahlungsmessungen mit dem Satlantic profiler zur Anpassung des Ökosystemmodells an die regionalen Bedingungen. Das Wetlabs AC-S, das an die CTD Rosette angebracht wird, liefert vertikal und spektral hochaufgelöste Messungen der Absorption und Extinktion zur Erfassung unterschiedlicher Wassermassen und Partikelschichten. Das wird unterstützt durch Labormessungen der Absorption des partikulären Materials und der gelösten organischen Substanzen. Proben für REM und EDX sollen helfen, die optischen Schichten zuzuordnen.

Abb. 3: Auslegung einer Sinkstofffalle im inneren St. Lawrence-Ästuar

Im inneren Teil des Ästuars vor Rimouski wurde am 30.8. eine Sinkstoffalle verankert, die über die nächsten zwei Jahre den vertikalen Partikelfluss sammeln und damit Aussagen über einen wichtigen Antrieb für die Bildung des Sauerstoffminimums führt. Die Auslegung erfolgte ohne Probleme (Abb 3).

Für die Untersuchung subrezenter und vergangener Ökosystemänderungen wurden auf dem Transsekt vom Golf von St. Lawrence bis zum Unteren St. Lawrence Ästuar (Abb. 1) an allen 7 Stationen Multi-corer- und an 3 Stationen Schwerelotkerne gezogen. Die Auswahl der MUC Stationen erfolgte in enger Zusammenarbeit mit unseren kanadischen Partnern. Die zeitliche Auflösung der oberflächennahen Sedimente sollte eine Parallelisierung von Proxy- und instrumentellen Daten erlauben. An allen Stationen wurden Oberflächenproben für die geplanten multi-proxy Studien genommen, um die Verlässlichkeit von Transferfunktionen (basierend auf Diatomeen-, Dinoflaggelaten- und Foraminiferen-Vergesellschaftungen) und die Kalibrierung von Biomarker-Proxies zu verbessern. Ein MUC wird jeweils in 1cm Scheiben für Korngrößenanalysen an der Dahlhousie Universität und Quecksilber (Hg) Messungen am IOW geschnitten.
Zusätzlich wurden an den MUCs Oberflächenproben für Cs-137/Pb-210 Messungen und aus zwei weiteren Sedimenttiefen Foraminiferen für AMS14C Datierungen ausgeschlämmt. Letzteres erfolgte auch an ausgewählten Teufen der Schwerelotkerne. Die Messungen / Datierungen sollen zeitnah nach Beendigung der Expedition erfolgen, um ein möglichst schnelle Auswahl der Schlüssellokationen für spätere zeitintensive und höchstauflösende Untersuchungen zu gewährleisten. An den ausgewählten Sedimentteufen der Schwerelotkerne (ca. alle 50 cm) werden Parallelproben für die multi-proxy Untersuchungen genommen, um den Mikrofossilgehalt zu ermitteln, was letztlich ebenfalls dem "site-Quality check" dient.

Die bisherige Forschung lief bei besten äußeren Bedingungen ab, wozu ruhige See und die reibungslose Funktion der Schiffstechnik gehören. Daher ist es kein Wunder, dass die Stimmung an Bord sehr gut ist.

Mit besten Grüßen von der Maria S. Merian, Dr. Falk Pollehne
30.8.2015