FS Merian - MSM18-4
1. Wochenbericht (21.07.-25.07.2011)
FS Maria S. Merian, 8° Ost
Ein spannender Besatzungswechsel und ein gutes Ende
Wieder auf See, auf der Maria S. Merian von Libreville nach Walvis Bay. „Libreville, wo liegt denn das?“, eine häufig gestellte Frage der letzten Tage. Libreville, die Hauptstadt Gabuns nur wenige Kilometer nördlich des Äquators ist selten Zentrum der Aufmerksamkeit. Albert Schweitzer hatte unweit Librevilles sein berühmtes Urwaldhospital gegründet, im fast menschenleeren Regenwald leben noch Gorillas. „Ach dahin!“. Die Uhren gehen hier anders und der Container- und Besatzungswechsel gestalten sich zum Abenteuer. Fast die Hälfte der Einwohner Gabuns lebt in Libreville. Vom Flugzeug aus ist zu erkennen, wie sich die Stadt in den Urwald frisst, außen Brandrodung, dann Baustellen, dann eine Innenstadt mit wenigen höheren Häusern und einer engen Bebauung aus ein– und zweistöckigen Gebäuden. Viele sehr kleine Geschäfte, ganz kleine Marktstände am Straßenrand, die Obst, Zigaretten oder Lutscher anbieten, man fährt viel Taxi, eine Flut großer PKW quält sich langsam durch die Hauptstraße entlang der Atlantikküste. Das „Vorauskommando“ zur Containerübernahme kann nicht wie erwartet zum Schiff, da dieses weit draußen auf Reede liegt. Also erst einmal ins Hotel, rundherum feinster Zwirn, Sandalen und T-Shirt sind plötzlich etwas fehl am Platze. Zum Glück findet sich um die Ecke ein kleines Restaurant, wo man auch ein lokales Bier bekommt. Es ist angenehm, dass man als einzige kleine Gruppe Weißer nicht wie anderswo sofort im Zentrum drängender Aufmerksamkeit steht.
Librevilles Hafen Owengo kann nur zwei großen Schiffen zur gleichen Zeit Platz bieten, auf Reede liegen aber 12. Sowohl die Saint Roch, die unsere Container mit den Messgeräten von Hamburg nach Libreville transportiert hat, als auch die Maria S. Merian sind noch nicht einmal im Hafenplan der nächsten Tage zu finden. Die Deutsche Botschaft, die die Reisevorbereitungen bereits begleitet hatte, hat das Kunststück vollbracht, den Hafenkapitän wie auch immer dazu zu bewegen, gleich zwei Schiffe in der Abfertigung vorzuziehen, um den Erfolg der Merian-Reise MSM 18-4 nicht zu gefährden. Die Saint Roch wurde zügig entladen, so dass wir am 23. Juli noch in der Nacht an die Pier konnten und morgens, am Sonntag, die Container der MSM 18-3 abgeben und unsere Container übernommen haben.
Zuvor hatten wir noch das Vergnügen eines Besuches von Seiten der Deutschen Botschaft auf der Maria S. Merian, wobei es sich insbesondere Frau Schwalke nicht nehmen ließ, das Schiff vom Peildeck bis zum Maschinenraum ausgiebig zu besichtigen.
So wurde es dennoch möglich, dass wir fast pünktlich und nach einigem Zittern sogar mit vollständigem Reisegepäck auslaufen konnten. Leider konnte ein Kollege aus unserem Partnerinstitut in Swakopmund, Namibia, nicht anreisen, da sein Reisepass im Behördendschungel verschwunden war und dann kein Visum für die Einreise in Gabun mehr zu bekommen war. Die Prozedur, ein Visum eigentlich nur für die Fahrt vom Flugplatz zum Hafen zu erhalten, ist recht aufwändig, ein Agent in Libreville muss offiziell beauftragt werden, eine Einladung zu schicken, Empfehlungsschreiben an die Botschaft in Gabun, Haftungsausschlusserklärungen und extra Einladungen für Kollegen aus anderen Ländern sind erforderlich, bis dann gegen einen Obulus von 80 € ein unscheinbarer Stempel im Pass den Weg zum Schiff öffnet.
Jetzt haben sich die Labors mit Geräten gefüllt, Computer werden in Betrieb genommen und an das Datenverteilsystem des Schiffes angeschlossen, die Unterwegsmessungen laufen, Stationsablaufpläne werden diskutiert und die knappe Messzeit wird verteilt. Wale wurden bereits gesichtet und der erste Sonnenuntergang auf See ist Vergangenheit. Es wird auch weniger Mückenschutz verwendet und nur noch die regelmäßige Einnahme der Medikamente zur Malariaprophylaxe erinnert daran, dass wir hoffentlich alle ohne Stich und Infektion ein Hochrisikogebiet für Malaria tropica passiert haben.
Die Reise vereint Kollegen des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung, des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenökologie, des Fachbereichs Biologie der Universität Bremen, sowie Angolanische Kolleginnen und Kollegen aus dem Fischereiinstitut in Luanda und dem Department of Environmental Affairs in Südafrika. Alle haben sich der Untersuchung von Ökosystemen in Sauerstoffminimumzonen verschrieben. Die meisten Stationen werden im sogenannten Angolawirbel liegen, einem Seegebiet vor der angolanischen Küste, in dem die besonderen räumlichen Strukturen der Passatwinde häufig Tiefenwasser aufquellen lassen, dessen Nährstoffe dann schnell durch Phytoplankton aufgenommen werden und so in ein Nahrungsnetz mit großer Biodiversität gelangen. Mineralisation von absinkendem Detritus führt zu einer ausgeprägten Sauerstoffminimumzone unterhalb der Thermoklinen, die nach unten durch das Antarktische Zwischenwasser begrenzt wird. Der Angolawirbel ist Quellregion für Südatlantisches Zentralwasser, das mit dem polwärtigen Ostrandstrom entlang der Küste bis in das Benguela-Auftriebsgebiet vor Namibia gelangen kann und dort ganz wesentlich den Sauerstoff- und Nährstoffhaushalt auf dem Schelf bestimmt. Gleichzeitig lassen Modelluntersuchungen auch einen Rückweg von besonders sauerstoffarmem Wasser vom Namibischen Schelf in den Bereich des Angolawirbels vermuten. Die Zusammenhänge zwischen der atmosphärischen und ozeanischen Zirkulation, Nährstoff- und Sauerstoffverteilungen, Lichtverhältnissen und Primärproduktion, organismischer Vielfalt im Plankton und Benthos sowie spezielle physiologische Eigenschaften, die Zooplankton und Ichthyoplankton zum Leben in sauerstoffarmer Umwelt befähigen,werden auf dieser Reise untersucht werden.
Maria S. Merian läuft auf 8° Ost direkt nach Süden ins Untersuchungsgebiet, an Bord sind alle wohlauf und freuen sich auf die Reise.