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Biologische Zustandseinschätzung der Ostsee 2022

2022 wurden auf den 5 Monitoring-Fahrten 146 Phytoplanktonarten erfasst. Die durchschnittliche Jahresbiomasse im Untersuchungsgebiet der südlichen und zentralen Ostsee betrug in diesem Jahr 1015 µg l-1 und lag damit etwas über dem 20-Jahresmittel. In 2022 begann die Phytoplankton-Frühjahrsblüte Anfang Februar in der südlichen Ostsee und entwickelte sich sukzessive rasch Richtung Norden. Die auf den 3 Frühjahrsfahrten gemessenen Chla Konzentrationen lagen etwa zwischen ~1 und ~10 µg l-1 Chla, wobei die auf der Februar- bzw. Mai Fahrt gemessenen Werte deutlich niedriger waren als im März. Generell wichen die auf allen 3 Frühjahrsfahrten erfassten Chla-Dynamiken stark von den Biomassemustern ab, was sich mit einer für diese Jahreszeit untypischen Unterrepräsentation von Diatomeen erklären lässt. In der Frühjahrsblüte 2022 bestimmten mixotrophe Taxa mit prominenten akzessorischen Pigmenten wie Dinoflagellaten, bzw. mixotrophe Ciliaten, insbesondere Mesodinium rubrum, die Frühjahrsgemeinschaften der zentralen Ostsee. Die Phytoplankton Biomassekonzentrationen lagen im Frühling 2022 zwischen 150 µg l-1 im Süden und ~3000 µg l-1 in der zentralen Ostsee und spiegelten die hier im Frühling typische, räumlich sukzessive Biomasseentwicklung der Frühjahrsblüte wider. Im Sommer 2022 war die Biomassezusammensetzung des Phytoplanktons, wie schon im Vorjahr, fast ausschließlich von Diatomeen, insbesondere Dactyosolen fragilissimus bestimmt, welche fast 90 % der Gesamt-Phytoplanktonbiomasse in der südlichen Ostsee (Belt- und Arkona See) zu dieser Jahreszeit ausmachte. Im August 2022 wurden Phytoplankton-Gesamtbiomassen von bis zu 7000 µg l-1 gemessen. Wobei die Biomassen in den zentralen Becken generell wesentlich niedriger blieben als in den von Diatomeen dominierten südlichen Seegebieten. Hier waren auch typische Cyanobakteriengemeinschaften vertreten, die jedoch nur 5 - 10 % der von Diatomeen produzierten Biomassen im Süden erreichten. Im November hatte sich in den zentralen Becken eine gemischte Diatomeen-Dinoflagellaten Gemeinschaft etabliert. Im Frühling 2022 kam es in der Kieler Bucht zu einer Blüte der potentiell toxischen Diatomee Pseudo-nitzschia, die jedoch keine Probleme verursachte. Im Jahr 2022 war in der südlichen Ostsee der Diatomeenanteil an der Frühjahrsblüte relativ hoch, verursacht vom hohen Biomasseanteil von Skeletonema marinoi. Die Cyanobakterien-Biomassekonzentrationen und auch die jährliche Phytoplankton-Gesamtbiomasse bewegten sich innerhalb der jährlichen Variationsbreite des 20-Jahresmittels.

Im Jahr 2022 wurden 54 Zooplanktonproben an 39 Stationen in der Kieler Bucht, der Mecklenburger Bucht und der Arkonasee genommen. Aufgrund schlechter Witterungsbedingungen fielen auf der Rückfahrt zwei Stationen aus, und der saisonale Zyklus des Zooplanktons ist deshalb in der Kieler Bucht unvollständig. Dies hat jedoch keine größeren Auswirkungen auf die Analyse der biologischen Vielfalt und der saisonalen Dynamik in den anderen Gebieten. Das Arteninventar wurde von euryhalinen und Brackwasserarten dominiert. Dennoch wurden auch echte marine Arten beobachtet, vor allem in der Beltsee. Dazu gehören die Cladocera-Art Penilia avirostris, die in großer Zahl vorkam, aber auch seltenere Arten, wie der calanoide Copepode Calanus helgolandicus oder die Cladocera-Art Pleopis polyphemoides. Im Gegensatz zu 2021 wurden auch regelmäßig Larven verschiedener mariner benthischer Taxa beobachtet. Abgesehen von Acartia tonsa wurden keine weiteren nicht-einheimischen Arten gefunden. Insgesamt wurden in den Proben 50 Taxa identifiziert. Die Artenzahl zeigte die üblichen jahreszeitlichen Schwankungen mit einem Maximum im Winter/Frühjahr und Herbst. Die kurzfristige saisonale und die langfristige Dynamik in dem Gebiet war durch eine ungewöhnliche Zooplanktonzusammensetzung gekennzeichnet. Während die Rotifera und die Cladocera normalerweise durch ihre ausgeprägten Maxima im Frühjahr bzw. Herbst dominieren, lagen ihre Bestände deutlich unter den üblichen Werten und trugen nur zu 5 - 11 % zum Bestand bei. Die Copepoden dominierten die Gemeinschaft mit 59 %, gefolgt von den Copelata mit 12 %. Aufgrund der geringen Abundanz der Rotifera und Cladocera war der Bestand an Zooplankton in der Arkonasee, wo diese beiden Gruppen normalerweise sehr häufig vorkommen, gering. Daher fehlte im Jahr 2022 der typische Anstieg der Zooplanktonabundanz von der Kieler Bucht zur Arkonasee sowie das spätsommerliche Maximum des Zooplanktons in der Arkonasee. Innerhalb der Gruppe der Copepoda wurde in der Beltsee eine deutliche Verschiebung von der Dominanz der verschiedenen Acartia-Arten zu Pseudocalanus spp. beobachtet, während die Zusammensetzung in der Arkonasee wie üblich war. Das Fehlen größerer Anteile an Rotifera und Cladocera hat weitere Folgen für die langfristige Abundanz ihres Bestandes. 2022 war das 11. Jahr in Folge, in dem der Zooplanktonbestand unter dem langfristigen Durchschnitt lag. Der Bestand von 0,6 x 105 Ind. m-3 war der zweitniedrigste Wert nach dem Allzeitminimum von 2020 und erreichte nur 22 % des langjährigen Mittels. Alle wichtigen Zooplanktongruppen verzeichneten einen Rückgang um 38 - 95 %, mit Ausnahme der Copeleata, die um 60 % zunahmen. Bei den Copepoda verringerten sich die Bestandsgrößen der meisten Taxa um 39 - 75 %, während Pseudocalanus spp. einen Anstieg um 208 % verzeichnete. Die Zusammensetzung des Zooplanktons und die jahreszeitliche Dynamik in der Beltsee (Kieler Bucht und Mecklenburger Bucht) waren homogen, ohne die in manchen Jahren auftretende, große räumliche Variabilität. Die jahreszeitlichen Schwankungen waren 2022 ausgeprägt, und der Saisonbeginn war früh, da die Bestände bereits im März erheblich zunahmen. Copepoda dominierten die Gemeinschaft in der ersten Jahreshälfte zusammen mit dem Meroplankton, das beim Übergang vom Winter zum Frühjahr Spitzenkonzentrationen aufwies. Ihr Rückgang im Sommer war moderat, und es wurde eine ungewöhnlich hohe Dichte von Oikopleura dioica (Copelata) beobachtet. Im Gegensatz dazu wiesen das Meroplankton und insbesondere die Muschellarven eine geringe Bestandsgröße auf. Die Copepoda wurden im Winter/Frühjahr von ungewöhnlich hohen Konzentrationen von Pseudocalanus dominiert, während die Abundanz von Acartia ungewöhnlich gering war. Im Gegensatz zur Beltsee verlief die jahreszeitliche Entwicklung und Zusammensetzung des Zooplanktons in der Arkonasee wie üblich - mit Ausnahme des Fehlens hoher Dichten der Cladocere Bosmina im Sommer, wodurch sich das jährliche Zooplanktonmaximum ins Frühjahr verschob. Die Winter-Frühjahrszunahme wurde von Copepoden und Rotifera dominiert. Im Sommer wurde die Dominanz der Copepoda durch ansteigende Anteile von Meroplankton und Cladocera ersetzt. Die Copepoda zeigten die typische ausgewogene Zusammensetzung der Gemeinschaft mit mehr oder weniger ähnlichen Bestandsgrößen der wichtigsten Gattungen.

Im Herbst 2022 waren die Witterungsbedingungen in der südwestlichen Ostsee so ungünstig, dass die Beprobung des Makrozoobenthos an den Stationen in der Kieler und Mecklenburger Bucht sowie im Fehmarnbelt ausfallen musste. Daher steht nur ein begrenzter Datensatz zum Vergleich mit den Vorjahren zur Verfügung. Für die Station in der Kieler Bucht (N3) konnten wir die Zeitreihe mit Probenmaterial von Kollegen des Landesamtes für Umwelt Schleswig-Holstein aufrechterhalten. Für die beiden Stationen N1 (Fehmarnbelt) und M2 (Mecklenburger Bucht) war dies leider nicht möglich. Die 106 Arten, die im Jahr 2022 im Makrozoobenthos gefunden wurden, stellen eine mittlere Vielfalt dar, wenn man bedenkt, dass zwei Stationen weniger ausgewertet werden konnten. Die Anzahl der Arten, die an den sechs Messstationen gefunden wurden, schwankte zwischen 19 und 52. In allen Regionen war das Sauerstoffangebot im Bodenwasser im laufenden Jahr meist höher als 2 ml l‑1. Die einzigen Ausnahmen waren im August, als wir 1,7 ml l-1 O2 in der Kieler Bucht und 0,9 ml l-1 O2 im Arkonabecken gemessen haben. In der Kieler Bucht fanden wir im Vergleich zu den Vorjahren eine deutlich geringere Artenzahl, was aber wohl auch daran liegt, dass wir die Beprobung nicht selbst durchgeführt haben und z.B. keine Dredge genommen wurde. In der südlichen Mecklenburger Bucht und auch in der Pommerschen Bucht war die Vielfalt etwas geringer als im langjährigen Durchschnitt. Je nach Region reichten die Abundanzen von 518 bis 6530 Ind. m-2 und die Biomasse (aschefreies Trockengewicht) von 1,1 g m-2 bis 53,8 g m-2. Am Beispiel der Station K8 (Darßer Schwelle) führten wir eine Langzeitanalyse der letzten 4 Jahrzehnte durch. Dargestellt wird die langfristige Entwicklung von Artenzahl, Abundanz und Biomasse. Anhand ausgewählter Muschelarten (Astarte borealis, Macoma balthica und Mya arenaria) wird exemplarisch gezeigt, welche Veränderungen stattgefunden haben und welchen Einfluss sie auf das Ökosystem haben können. An den sechs Messstationen wurden insgesamt zehn Arten der Roten Liste Deutschlands (Kategorien 1, 2, 3 und G) beobachtet. Mit sieben war die Zahl der invasiven benthischen Arten im Jahr 2022 erwartungsgemäß gering. Sie waren alle bereits aus den Vorjahren bekannt. Mya arenaria und Amphibalanus improvisus sind seit mehr als hundert Jahren in der südlichen Ostsee häufig anzutreffen. Seit 2016 ist der Amphipode Grandidierella japonica aus der südlichen Ostsee bekannt und wurde auch während der vorliegenden Studie in der Kieler Bucht beobachtet. Die beiden Polychaeten Alitta succinea und Marenzelleria viridis wurden in den letzten Jahren regelmäßig bei Probenahmen gefunden. Die kryptische neozoische Dekapodenart Palaemon elegans ist seit Jahrzehnten etabliert und wurde in der nördlichen Pommerschen Bucht gefunden. Ein weiterer kryptischer Neozoe ist der Polychaet Aphelochaeta marioni, der in der Kieler Bucht (N3) beobachtet wurde.

Vollständiger Bericht in:
Meereswiss. Ber. 125 (2024)
Dutz, Jörg; Kremp, Anke; Zettler, Michael L. :
Biological assessment of the Baltic Sea 2022

Jährliche biologische Zustandseinschätzungen

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