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Die Geschichte der Ostsee

Die Geschichte der Ostsee ist in Sedimenten dokumentiert, die sich seit der letzten Eiszeit in den glazial geformten Becken abgelagert haben.

Abb. 1 zeigt einen Sedimentkern aus dem Gotlandbecken. Der Sedimentkern wurde mit einem Stechrohr von 16 m Länge und 12 cm Durchmesser vom Forschungsschiff POSEIDON im Jahr 1994 entnommen. Der ganze Kern ist etwa 11,50 m lang und wurde an Bord in Sektionen von 100 cm Länge geschnitten. Im Labor wurden diese Sektionen der Länge nach aufgeschnitten und mit einem Farbscanner fotografiert.

Abb. 2 zeigt eine Zusammenfassung der nordwestdeutschen Klimaentwicklung aus Mooren, der archäologischen Stadien, der Pollenzonen und der Stadien der Ostseeentwicklung seit dem Ende der Vereisung.

Die Ostseegeschichte begann nach dem Abschmelzen des skandinavischen Eisschilds vor etwa 12.000 Jahren.

Zu dieser Zeit entwickelte sich vor dem Eis aus den Schmelzwässern ein See, der Baltische Eisstausee. Am Seegrund lagerten sich die sogenannten Warventone ab, die pro Jahr aus einer dicken hellen Lage und einer schmalen dunklen Lage bestehen. Diese Bänderung entsteht durch die jahreszeitlich bedingten Unterschiede in der Sedimentfracht aus dem abschmelzenden Eis. Im Sommerhalbjahr ist die Fracht hoch und enthält auch gröbere Partikel, im Winter ist sie gering und nur sehr feine Schwebstoffe sinken zum Boden ab. Ein deutlicher Farbwechsel von braunen zu grauen Sedimenten im Eisstausee-Intervall markiert einen plötzlichen Abfall des Seespiegels. Dieser ereignete sich, nachdem eine Eisbarriere in Mittelschweden (Billingen) brach und eine große Menge Seewasser in den Nordatlantik ausfloss. Der Farbwechsel und eine Änderung der Sedimentdichte (Geschwindigkeit akustischer Wellen) im Gefolge des Billingen-Ereignis´ weisen auf einen ersten Einstrom von Meerwasser in die Ostsee hin. Der globale Meeresspiegel stieg rasch an und die glazioisostatische Hebung Skandinaviens wurde etwa vor 10.000 Jahren von ihm zeitweise überkompensiert.

In der ersten brackige Phase, dem Yoldiameer, herrschten für etwa 300 Jahre in der zentralen Ostsee salzreiche Wässer vor. Die Sedimente des Yoldiameers sind mit dem magnetischen Mineral Greigit imprägniert (Zunahme der magnetischen Suszeptibilität). Es entsteht durch die bakterielle Reduktion von Meerwassersulfat zu Sulfid und der Reaktion mit Eisen.
Die nacheiszeitliche Hebung des skandinavischen Raums (durch die Eisentlastung, Hebungsraten bis 9 mm/Jahr in der Bottensee) schloß die mittelschwedische Verbindung zum Meer erneut vor etwa 9.500 Jahren.

Wiederum entwickelte sich ein See im Bereich der heutigen Ostsee, der Ancylussee. Dieser See wurde im Zeitraum von 9.000-8.000 Jahren in zunehmendem Maße von Salzwasseringressionen aus dem Kattegat beeinflußt und langsam brackig. Im oberen Teil des Sedimentintervals des Ancylusstadiums treten deutliche Laminationen auf. Sie deuten auf stabile Dichteschichtung des Wasserkörpers und zeitweilig anoxische (sauerstoffreie) Bedingungen am Meeresboden hin. Halophile Diatomeen nehmen in diesem Abschnitt deutlich zu. Meerwassersulfat wurde von Bakterien zum Abbau der organischen Substanz im Sediment genutzt und das oberste Intervall des Ancylusstadiums ist von dem Sulfidmineral Greigit schwarz gefärbt.
Die recht komplizierte paläogeographische Entwicklung des westlichen Ostseeraumes (Beltsee, Arkonasee) vom Ende der Weichselvereisung bis zum Beginn der Littorina-Transgression wurde im Institut für Ostseeforschung Warnemünde von W. Lemke (1998) eingehend untersucht. In der folgenden Abbildung wird diese Entwicklung in 5 charakteristischen Phasen dargestellt.

Europa zur Weichseleiszeit ca. 15 000 BP
Europa zur Weichseleiszeit ca. 15 000 BP
Baltischer Eisstausee ca. 12 000 BP
Baltischer Eisstausee ca. 12 000 BP
NW-Europa ca. 11 000 BP - Yoldia Meer Stadium
NW-Europa ca. 11 000 BP - Yoldia Meer Stadium
NW-Europa ca. 9 300 - 8 600 BP Ancylus See
NW-Europa ca. 9 300 - 8 600 BP Ancylus See
Abb. 3. Paläogeographische Entwicklung des westlichen Ostseeraumes.
Abb. 3: Paläogeographische Entwicklung des westlichen Ostseeraumes. Dargestellt sind die historischen Wasserstände (dunkelgrau), die rekonstruierten Abflussbahnen (schwarze Pfeile) und der heutige Wasserstand (post-Littorina). Aus Lemke (1998).

Abb. 4: Seitensichtsonarbilddes versunkenen holozänen Waldes westlich vom Darss. Man erkennt längliche Baumstämme (etwa 10 bis 15 m lang) und punktförmige Baumstümpfe in situ.

Der Anstieg des globalen Meerespiegels führte vor etwa 8.000 Jahren zu einem relativ schnellen Anstieg des Ostsee-Wasserspiegels um über 20 m innerhalb von wenigen Jahrhunderten, genannt Littorina-Transgression. In deren Folge kam es zur Überflutung einer sich zwischen Deutschland und Dänemark erstreckenden Landschaft, die durch Wälder, Binnenseen und Flussläufe geprägt und in der Steinzeit besiedelt war. Durch Seitensichtsonar-Aufnahmen wurden etwa 2 km westlich des Darss in 10 m Wassertiefe die erhaltenen Überreste eines Waldes entdeckt (Abb. 4), die sich über eine Fläche von einigen Quadratkilometern erstrecken (Tauber. submitted).

Abb. 5: Die Überreste des versunkenen Waldes westlich vom Darss aus der Sicht einer ferngesteuerten Unterwasser-Videokamera. Das diagonale Gebilde ist ein im Sediment liegender Baumstamm, die dunkle Stelle links hinten ein Baumstumpf.

Hunderte in situ Baumstubben und Dutzende Baumstämme, die teilweise in einer Torfschicht eingebettet sind (Abb. 5), konnten in den Sonar-Bildern identifiziert werden. Vom Meeresboden wurden durch Forschungstaucher Holzproben (Baumscheiben) zur Altersbestimmung geborgen. Mit dendrochronlogischen Untersuchungen konnte ermittelt werden, das der Wald bis mindestens 6500 BC (Alter des jüngsten gefundenen Baumes) noch nicht überflutet war (Westphal et al., submitted).

Die Littorina-Transgression führte schließlich zur endgültigen Verbrackung der Ostsee, und das Littorinameer bildete sich aus. Wie in der heutigen Ostsee war der Wasserkörper in den Ablagerungsbecken stark geschichtet und am Boden herrschte zeitweilig Sauerstoffmangel. Zu Zeiten von Sauerstoffmangel bildeten sich fein laminierte Sedimente mit hohen Gehalten an organischem Kohlenstoff; Phasen mit erhöhtem Einstrom von sauerstoffreichem Salzwasser oder winterlicher Konvektion sind als homogene, helle Sedimentpakete in den Sedimentkernen erhalten. Das Littorinameer war wahrscheinlich salziger als die heutige Ostsee, aber die Sedimente der jüngeren Ostseegeschichte ähneln denen des Littorinameers stark.

seit ca. 8 000 BP Littorina Meer (Brackwasser)
seit ca. 8 000 BP Littorina Meer (Brackwasser)

Dr. Thomas Leipe, Dr. Matthias Moros, Dr. Franz Tauber

 

Literaturhinweise:

Lemke, W. (1998): Sedimentation und paläogeographische Entwicklung im westlichen Ostseeraum (Mecklenburger Bucht bis Arkonabecken) vom Ende der Weichselvereisung bis zur Litorinatransgression. Meereswissenschaftliche Berichte No. 31. Institut für Ostseeforschung Warnemünde. 156 Seiten, mit Anhang.

Duphorn, K., Kliewe, H., Niedermeyer, R.-O., Janke, W., Werner, F. (1995): Die deutsche Ostseeküste. Sammlung Geologischer Führer 88, Gebr. Borntraeger, Berlin, Stuttgart. 281 Seiten. 

Andersen, B.G., Borns, H.W. (1997): The Ice Age World. Scandinavian University Press.