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„Altonaer Erklärung“:
Deutsche Küstenforschung präsentiert Zukunftskonzept

Warnemünde Mole

In der deutschen Küstenforschung ist dies einmalig:
42 Forschungseinrichtungen haben in zwei Jahren intensiver Diskussion mit Nutzer- und Anspruchsgruppen eine Agenda für zukünftige Forschungsaufgaben entwickelt. Höhepunkt dieses Prozesses war das Symposium „Küste 2025“ im April 2015 in Hamburg-Altona. Am 6. Oktober wurde das Ergebnis, die „Altonaer Erklärung“, Vertretern des BMBF übergeben.

70 Prozent der Weltbevölkerung lebt in Küstennähe. Weltweit stehen Küstengebiete mit steigender Besiedlungsdichte unter hohem Nutzungsdruck als Lebens-, Natur- und Wirtschaftsraum. In den kommenden Jahren wird sich die Nutzung der Küste und damit der Druck auf die Ökosysteme weiter intensivieren. Auch durch Klimawandel bedingte Bedrohungen wie Meeresspiegelanstieg und die Zunahme von extremen Naturereignissen wie Sturmfluten oder Tsunamis stellen Küstenregionen weltweit vor immense Herausforderungen.

Komplexität und Umfang der Problemlage erfordern ein engeres Zusammengehen von Forschungseinrichtungen, Behörden, Nutzern und Gesellschaft. Die jetzt vom Konsortium Deutsche Meeresforschung (KDM) im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) an Bund und Länder übergebene „Altonaer Erklärung“ soll den Grundstein für ein solches gemeinsames Vorgehen in der deutschen Küstenforschung für die nächste Dekade legen. Fünf Aktionsfelder wurden als prioritär identifiziert: „Klimawandel“, „Biodiversität“, „Stoff- und Energieflüsse“, „Nachhaltige Ressourcennutzung“ sowie „Umgang mit Risiken und Naturgefahren“. In jedem dieser Bereiche gibt es dringenden Forschungsbedarf zur Entwicklung tragfähiger Lösungen für die anstehenden Probleme. Aber auch der Aufbau gemeinsamer Infrastrukturen und die Entwicklung neuer Technologien werden erforderlich sein, um den gesellschaftlichen Dialog und Diskurs weiterzuführen und eine exzellente Nachwuchsausbildung zu sichern.

„Diesen Weg weiter zu gehen, die Küstenforschung zur gesellschaftlichen Daseinsvorsorge zu stärken – diese Verantwortung nimmt die Deutsche Küstenforschung mit der ‚Altonaer Erklärung‘ an“, so IOW-Direktor und KDM-Vorsitzender Ulrich Bathmann, der den Agendaprozess in seiner Zeit als Sprecher der KDM-Strategiegruppe Küstenforschung koordinierte.

Das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) war von Anfang an aktiv in den Agendaprozess eingebunden, an dem sich über zwei Jahre hinweg gut 40 Forschungseinrichtungen gemeinsam mit Nutzer- und Anspruchsgruppen beteiligt hatten. In seinem Forschungsschwerpunkt „Küstenmeere und Gesellschaft“ arbeitet das IOW intensiv mit Ämtern und Behörden zusammen, um die wissenschaftliche Basis für umweltpolitische Maßnahmen bereitzustellen. Darüber hinaus liefert das IOW durch seinen interdisziplinären, systemaren Ansatz zur Erforschung der grundlegenden Prozesse in der Ostsee wichtige Erkenntnisse in der Küstenmeerforschung, die für eine Vielzahl von Nutzergruppen von Bedeutung sind. Viele dieser Erkenntnisse lassen sich durch eine modellhafte Betrachtung der Ostsee auch auf andere Küstensysteme übertragen.

„Altonaer Erklärung“ im Original  |  Weiterführende Informationen zum KDM und der Strategiegruppe Küstenforschung 

Kurzübersicht der identifizierten Forschungs- und Handlungsbedarfe der "Altonaer Erklärung"

1. Klimawandel
An den Küsten, dem Grenzgebiet zwischen Meer und Land, werden die Auswirkungen des Global Change am ehesten deutlich. Mehr noch: Sie führen hier zu einer direkten Bedrohung der küstennahen Siedlungs- und Wirtschaftsräume.
Daher
müssen Gefährdungsprognosen durch ein besseres Verständnis der Prozesse sowie bessere Daten und Modelle optimiert werden.
werden innovative Verfahren im Küsten- und Hochwasserschutz gebraucht, um die Zukunft zu meistern.

2. Ökosystemfunktionen und Biodiversität
In den Küstenmeeren bringt ein hoher Nutzungsdruck manche Art an die Grenzen der Überlebensfähigkeit, während gleichzeitig ein reges Kommen und Gehen von neuen Arten herrscht. Neben dem Artenschutz ist die Bewahrung wichtiger Funktionen im Ökosystem ein zentrales Ziel.
Daher
gilt es, die Funktionen von Artenvielfalt zu verstehen und Wege zu finden, den Grad ihrer Gefährdung zu erkennen und zu bemessen.
steht gemeinsam mit den Ämtern und Behörden die Entwicklung neuer, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierender Schutzkonzepte auf der Agenda.

3. Globale und regionale Stoff- und Energieflüsse
Veränderungen in den Stoffkreisläufen – ob Ozeanversauerung, Überdüngung, Sauerstoffmangel oder Schadstoffeinträge, um nur einige Beispiele zu nennen – betreffen vorrangig die marinen Lebewesen der Küsten- und Schelfmeere.
Daher
müssen die Entwicklungen der großen Stoff- und Energieflüsse in allen Kompartimenten und trophischen Ebenen der Küstenmeere erfasst und ihre Wechselwirkungen analysiert werden.
muss die Wirkung von Schadstoffen innerhalb der Nahrungsnetze und ihr Gefährdungspotenzial verstanden werden.
sind die entsprechend nötigen Beobachtungs-, Modell- und Bewertungssysteme zu entwickeln.

4. Nachhaltige Nutzung und Management von Ressourcen
Ob Fischerei oder Rohstoffwirtschaft: Die Entnahme von Ressourcen erfordert Nachhaltigkeitskonzepte. Sie können nur durch transdisziplinäre Verknüpfung von Wissenschaft und Gesellschaft gelingen.
Daher
wird neben dem wissenschaftlichen auch der gesellschaftliche Diskurs zur Definition von nachhaltiger Nutzung und Konzepte für eine erfolgreiche Umsetzung gebraucht.
muss auf allen Ebenen der Nutzung die Entwicklung von umweltschonenden, die Belastungen minimierenden Methoden vorangetrieben werden.

5. Umgang mit Risiken und Naturgefahren
Die Menschen, die den Küstensaum bewohnen, sind von Veränderungen der Küstenmeere in hohem Maße betroffen. Andererseits sind sie selbst Akteure im Wechselspiel Mensch – Meer.
Daher
werden Szenarien gebraucht, die die Auswirkungen menschlichen Handelns sowie mögliche reversible, irreversible oder kaskadierende Folgewirkungen aufzeigen.
muss die Erforschung von Risikowahrnehmung und -kommunikation enger mit der Entwicklung von Risikoabschätzungen verzahnt werden.

6. Governance und Partizipation
Marine Raumplanung ist in ihren Abläufen nicht so weit entwickelt wie die entsprechenden Vorgänge an Land. Dem steht eine Zunahme der Nutzungskonkurrenz im Küstenmeer gegenüber. Ein hoher Bedarf an neuen Governance-Ansätzen ist die Folge.
Daher
ist die Analyse der Interaktion unterschiedlicher Governance-Ebenen (lokal, regional, national, global) und die Entwicklung von integrativen Ansätzen eine wichtige Voraussetzung.
werden neue effektive Partizipations- und Kommunikationsformen zur Optimierung des aktiven Dialogs aller Akteure gebraucht.

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