Effekte von Grundschleppnetz-Fischerei: MGF-Ostsee II führt großes Ostsee-Feldexperiment mit vier Forschungsschiffen durch.

Schematische Dastellung vom Schleppnetzexperiment unter Einbindung der Forschungsschiffe. Copyright Thünen-Institut
CTD EMB 345 (T. Bruhns/IOW)
Wasserschöpfer mit CTD-Sonde (T. Bruhns/IOW)

Vom 16. Juli 2024 an fand eine dreiwöchige Forschungsfahrt in das Ostseegebiet vor Kühlungsborn statt, um experimentell die akuten Effekte der grundberührenden Fischerei (MGF) auf marine Sedimente und Lebensgemeinschaften zu untersuchen. Unter der Leitung des IOW wurde ein groß angelegtes Freilandexperiment durchgeführt, in welchem die unmittelbaren Auswirkungen der Grundschleppnetzfischerei untersucht wurden. Hieran nahmen vier Forschungsschiffe teil: Elisabeth Mann Borgese (EMB, IOW), Alkor (GEOMAR Kiel), Clupea (Thünen-Institut für Ostseefischerei) und Limanda (Universität Rostock).

Das Untersuchungsgebiet lag am äußeren Rand der 3-Meilenzone vor Kühlungsborn (MV) und erstreckte sich über eine Gesamtfläche von etwa 2000 m x 600 m. Hier erzeugte die Clupea mit einem für die Ostsee typischen Schleppnetz mehrere Schleppspuren auf dem Meeresboden, um unterschiedliche Effekte zu simulieren: intensiver Fischereieinsatz, Resuspension von Sediment und ein einzelner Schleppstrich zur kleinskaligen Detailuntersuchung. Mittels hydroakustischer Messungen und USBL-Transpondern konnten die Schleppspuren detailliert verfolgt und präzise beprobt werden.

Das Hauptziel des Experiments war es, die akuten und kurzfristigen Effekte von MGF auf die benthische Gemeinschaft und biogeochemische Prozesse zu untersuchen sowie den Regenerationsprozess zu dokumentieren. Die verschiedenen Stationen im exponierten und Kontrollgebiet wurden in einer Zeitserie wöchentlich wiederholt beprobt. Analysiert wurde die benthische Lebensgemeinschaft von Prokaryoten über Protisten, Mikrophytobenthos und Meiofauna bis hin zu Makrobenthos und demersalen Fischen. Die biogeochemischen Untersuchungen konzentrierten sich unter anderem auf die Flüsse von Sauerstoff und Nährstoffen sowie den Einfluss von Bioturbation auf diese. Ein weiteres Ziel des Experiments war die Untersuchung der Trübungswolke, wobei resuspendiertes Sediment und dessen Inhaltsstoffe für längere Zeit in die Wassersäule transportiert wird. Hier lag der Fokus unter anderem auf der Quantifizierung der Freisetzung von sedimentgebundenem Kohlenstoff, Nährstoffen und Methan.

Zudem zielte das Experiment darauf ab, kleinskalige Effekte entlang der Scherbrett- und Grundleinenspur zu untersuchen. Forschungstaucher von der Limanda wurden eingesetzt, um den Scherbrettauswurf und die Scherbrettkerbe gezielt zu beproben und die Bedeutung dieser Meeresbodenschädigung für die Organismen und bio-geochemische Prozesse zu analysieren.

Für die routinemäßige Beprobung wurden an Bord der EMB Multicorer und Van-Veen-Greifer verwendet. Ergänzt wurden diese durch nicht-invasive Methoden, wie den Einsatz eines Videogleiters und einer CTD-Rosette (eDNA). Die Alkor konzentrierte sich auf geochemische Untersuchungen des Meeresbodens und setzte zusätzlich Lander mit benthischen Kammern und einen autonomen Rover ein, um direkt am Meeresboden verschiedene Stoffflüsse zu analysieren. Ergänzt wurden diese Methoden durch ein OFOS (Ocean Floor Observation System).

Die Auswirkungen von grundberührender Fischerei auf einzelne Teile der Lebensgemeinschaft sind bereits gut untersucht. Verschiedenen Faktoren bestimmen, ob und wie stark es bei der Grundschleppnetzfischerei zu Schädigungen des Meeresbodens kommt. Dazu zählen unter anderem der Sedimenttyp, die vorhandene Lebensgemeinschaft, das verwendete Fischereigerät und die Häufigkeit dessen Einsatzes. Es fehlt an relevanten Studien in der Ostsee, um die Wirkung dieser Faktoren zu bewerten. Die Ergebnisse dieses Experiments sollen daher dazu beitragen, einen tieferen Einblick in den Einfluss von Grundschleppnetzfischerei auf das gesamte Nahrungsnetz, das kurzfristige Regenerationspotenzial der Lebensgemeinschaften und die Funktionen der Sedimente sowie auf die Auswirkungen der Resuspension auf das pelagische System zu gewinnen.

Das Schleppnetzexperiment hat bereits große Aufmerksamkeit erregt. Unter anderem erschien ein Beitrag im NDR und Reporter der dpa begleiteten die Fahrt; ihr Beitrag wurde unter anderem in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht. Ergänzende Informationen finden Sie in der Pressemitteilung.

Aufgrund des großen Umfangs der Probennahme sind erste vorläufige Ergebnisse erst in einigen Monaten zu erwarten.